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Montag, April 29, 2024

Wahlen ohne Hindernisse

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So können Pflegebedürftige ihre Stimme abgeben

Am 24. September sind 61,5 Mio. Bürger zur Wahl des 19. Deutschen Bundestages aufgerufen. Dazu gehören auch Pflegebedürftige. Ein Grafenauer Pflegeheim macht vor, wie Einrichtungen und Angehörige Senioren die Stimmabgabe erleichtern können.

Jeder soll sein Bürgerrecht wahrnehmen können

Im Seniorenheim Grafenau ist für die Stimmabgabe alles organisiert. In dem modernen Gebäude leben derzeit 76 Senioren.

„Wir helfen allen, damit sie ihr Wahlrecht ausüben können“, erklärt Einrichtungsleiterin Daniela Angerer. Es gehe vor allem darum, jeden zum Wahlgang zu motivieren, aber keinesfalls Partei zu ergreifen. „Wir haben es schließlich mit gestandenen Persönlichkeiten zu tun“, hebt Angerer hervor. Entscheidend ist, dass für die betagten Wähler Neutralität und Eigenständigkeit garantiert ist, wenn sie bei der Abstimmung ihr wichtiges Bürgerrecht wahrnehmen. Dieses Recht ist persönlich und kann nicht übertragen werden. Gerade bei Briefwahlen ist die Gefahr von Manipulation groß, sie wären eine Straftat. Diesen Aspekt müssen auch pflegende Angehörige unbedingt beachten.

Assistiert werden darf also nur bei der praktischen Durchführung, nicht bei der Entscheidungsfindung. Angerer: „Wir müssen auch im Seniorenwohnen garantieren, dass Wahlen frei, geheim, gleich, allgemein und unmittelbar statfinden.“
Eigenes Personal und ehrenamtliche Helfer begleiten die Bewohner am Wahltag von 8 bis 14 Uhr zum Wahllokal im Gemeindeamt. Die Anfahrt erfolgt im eigenen Bus. In einer Begleitwunschliste, die vorher verteilt wird, werden die bevorzugten Zeiten für die Senioren eingetragen. „Zusätzlich werden wir die Angehörigen oder Freunde sowie die rechtlichen Betreuer im Vorfeld ansprechen und um Unterstützung bitten“, ergänzt Daniela Angerer.

Das von der Sozial-Servicegesellschaft des Bayerischen Roten Kreuzes betriebene Haus informiert die Bewohner vorab über Aushänge im Foyer des Hauses über Wahltermin und -ablauf – auf Nachfrage im Vorfeld von Wahlen auch über entsprechende Wahlprogramme. „Hierbei gilt es, sensibel, neutral und unabhängig von eigenen Bewertungen vorzugehen“, betont Daniela Angerer, Einrichtungsleiterin. Sie hofft, dass mehr als die Hälfte der Senioren wählen geht.

Auch demente Menschen dürfen grundsätzlich wählen

Zum Wählen ist jeder berechtigt, der keinen amtlich bestellten Betreuer „für die Besorgung aller Angelegenheiten“ hat. Das wäre der einzige Fall, in dem auch Demente von der Wahlliste gestrichen werden dürften. „Das Vorliegen einer Demenzerkrankung ist grundsätzlich kein Grund, der zum Ausschluss von der Wahlbeteiligung führt“, erklärt Bärbel Schönhof, Fachanwältin für Sozialrecht und Vorstandsmitglied der Deutschen Alzheimer Gesellschaft e.V.

Die Alzheimer-Erkrankung ist ein schleichender Prozess. „Wer sollte entscheiden, ab wann jemand nicht mehr weiß, was er tut? Das ist praktisch unmöglich. Daher fordern wir, die Wahlausschüsse abzuschaffen“, betont Dorothee Czennia, Referentin für Behindertenpolitik beim Sozialverband VdK. Einige Bundesländer haben dies bereits vollzogen, Bayern allerdings nicht. Der Fokus solle laut Czennia darauf liegen, allen Wählern, auch denen mit Einschränkungen, gleichberechtigt einen Zugang zu Informationen zu ermöglichen, beispielsweise durch einfache Sprache.

Wenn in Grafenau am 24. September um 18 Uhr das Wahllokal schließt, beginnt im Seniorenheim die Nachlese: „Wir tauschen uns aus, jubeln, schimpfen, kommentieren. Wir warten auf Hochrechnungen, Analysen und schauen gemeinsam in die Gesichter von Siegern und Verlierern“, so Daniela Angerer. Für die Bewohner sei der Wahlabend ein Event, das lange nachhallt.

(Bild via: Ronja Gysin)

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