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Montag, April 29, 2024

Trotz Hochspannung Leben retten

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ADAC gelbhilft: Erste Hilfe bei Unfällen von Elektroautos

Das wichtigste in Kürze:

  • Das Gefahrenpotential von Elektroautos ist insgesamt nicht größer als bei PKW mit Diesel- oder Benzinmotoren.
  • Wichtig zu wissen: Der Stromfluss der Hochvoltbatterie wird bei einem Unfall normalerweise sofort unterbunden.
  • Aber Vorsicht: Finger weg von Hochvoltbauteilen und orangefarbenen Kabeln im Elektroauto!
  • Achtung: Entweicht aus dem Unterboden des E-Fahrzeuges starker, beißender Rauch oder ist ein Zischen zu vernehmen, ist ebenfalls Vorsicht geboten. Dann könnte akute Brandgefahr bestehen!
  • E-Auto oder Verbrenner, die Erste-Hilfe-Maßnahmen sind im Wesentlichen gleich.

Warum wird es immer wichtiger, über Erste Hilfe im Elektroauto Bescheid zu wissen?

Weil immer mehr Elektroautos auf europäischen Straßen unterwegs sind. Zwar sind es prozentual gesehen nach wie vor vergleichsweise wenige, aber die Zahl der „Stromer“ mit ihren Hochvoltsystemen nimmt rasant zu. Vor zehn Jahren gab es nicht einmal 1.000. Im Jahr 2020 erreichten die Neuzulassungen von Elektroautos einen Rekordwert mit 194.163 E-Autos und 200.469 Plug-in-Hybriden, das entspricht einem Anteil von 13,6 Prozent an den Zulassungen (lt. Kraftfahrtbundesamt). Experten prognostizieren in den kommenden Jahren einen Elektroauto-Boom. Staatliche Kaufprämien, bessere Ladeninfrastruktur und neue Modelle könnten bald dafür sorgen, dass Millionen von Elektroautos neu zugelassen werden.

Wie erkennen Laien Fahrzeuge mit Hochvoltsystemen?

Es gibt mehrere Möglichkeiten, Hochvoltfahrzeuge zu identifizieren. Am einfachsten ist die Identifikation anhand des E-Kennzeichens, erkennbar durch ein „E“ am Ende des Nummernschilds. Ebenfalls deuten Typenbezeichnungen am Fahrzeugheck oder Kotflügel, wie zum Beispiel „Hybrid oder Electric, Elektro oder auch E“, auf Fahrzeuge mit Hochvolttechnik hin. Verfügt das Fahrzeug über keine derartige Typenbezeichnung, können noch folgende Merkmale ein Indiz für ein Fahrzeug mit Hochvoltsystem sein: keine Abgasanlage bei rein batterie-elektrisch betriebenen Fahrzeugen, ein elektrischer Ladeanschluss (eventuell als zweite Außenklappe ausgeführt), orangefarbene Hochvoltleistungen im Motorraum oder Unterboden.

Wie sicher sind Elektroautos im Vergleich zu PKW mit Verbrenner-Motoren?

Zwischen einem Elektroauto und einem konventionell angetriebenen Fahrzeug gibt es sicherheitstechnisch keine wesentlichen Unterschiede. Matthias Vogt vom ADAC Technik Zentrum sagt: „Alle zugelassenen Autos in Deutschland müssen die gesetzlichen Anforderungen an Sicherheit erfüllen, egal ob elektrisch oder mit Benzin, Diesel, Erd- oder Flussiggas betrieben.“ Bei den Crashtests sei noch kein E-Auto negativ aufgefallen.

Ganz im Gegenteil: Viele E-Autos schneiden bei den Crashtests sehr gut ab. „Die Batterie ist geschützt im Unterboden untergebracht, und es gibt keinen großen Motorblock, der in den Fußraum eindringen kann“, so Vogt.

Besteht die Gefahr eines Stromschlags für Ersthelfer beim E-Auto?

Ein Stromschlag ist für Ersthelfer quasi ausgeschlossen. Bei Unfällen mit Airbag-Auslösung ist das Hochvoltsystem mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit deaktiviert. ADAC-Experte Matthias Vogt erklärt: „Bei Elektroautos müssen die elektrischen Komponenten ‚eigensicher‘ ausgelegt sein. Das bedeutet: Komponenten und Leitungen müssen berührungssicher konstruiert sein, und das Hochvoltsystem ist elektrisch vollständig von der Fahrzeugkarrosserie isoliert. Erkennt die Crashsensorik einen Unfall, wird der Stromfluss der Batterie sofort abgeschaltet.

Gibt es Unfallszenarien, bei denen es für Ersthelfer doch gefährlich werden kann?

Ja. Die Experten raten: Auf jeden Fall Hände weg von beschädigten oder abgerissenen Bauteilen, Hochvoltkomponenten und orangefarbenen Leitungen! Diese befinden sich üblicherweise im Motorraum und Unterboden, nicht jedoch an den Türen oder im Innenraum. Bei schweren Unfällen kann auch die Antriebsbatterie beschädigt werden und ein potenzielles Brandrisiko darstellen.

Wie hoch ist das Risiko eines Fahrzeugbrands beim Elektroauto?

Das Brandrisiko ist beim E-Auto grundsätzlich nicht höher als bei konventionellen Antrieben. Die ADAC-Tests haben gezeigt: Elektroautos sind bei einem Unfall im Grunde genauso sicher wie Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren. Die Antriebsbatterien sind besonders crashgeschützt im Unterboden des Fahrzeuges untergebracht. Aber natürlich kann ein Stromauto wie jedes andere Fahrzeug auch in Brand geraten.

Wie gefährlich wird es für Helfer, wenn ein Elektroauto in Brand gerät?

Dann ist äußerste Vorsicht geboten, wie bei jedem anderen Fahrzeug auch. Vogt: „Ein brennendes Elektroauto ist ein Fall für die Feuerwehr.“

Worum handelt es sich bei einem „Thermal Runaway“?

Wird bei einem schweren Unfall die Antriebsbatterie verformt, kann es kritisch werden. Im schlimmsten Fall kann es zu einem so genannten „Thermal Runaway“ kommen, bei dem die Zellen in der Antriebsbatterie „durchgehen“. Die Batterie beginnt zu brennen, den Brand kann nur die Feuerwehr mit viel Wasser löschen. „Extrem selten ist übrigens, dass sich ein Elektroauto ohne externe Einwirkung während der Fahrt, im Stand oder beim Laden aufgrund eines technischen Defektes selbst entzündet“, erläutert ADAC-Experte Vogt weiter.

Ist es gefährlich, wenn es regnet oder ein Elektro-Auto im Wasser steht?

Auch in diesem Fall ist die Gefahr im Grunde nicht größer als bei jedem anderen Fahrzeug auch. Wenn jedoch bei einem schweren Unfall im Außenbereich Hochvoltkabel oder die Hochvoltbatterie offen liegen, sollte man dennoch äußerst vorsichtig sein.

Gibt es sonst noch etwas zu beachten?

Ja, einen ganz wichtigen Punkt: Entweicht aus dem Unterboden des Fahrzeugs starker, beißender Rauch oder ist ein Zischen zu vernehmen, ist absolute Vorsicht geboten. Denn das deutet darauf hin, dass das Elektroauto beginnt Überdruck „abzugasen“, der bei einer chemischen Reaktion entstehen kann. In diesem Fall besteht akute Brandgefahr!

Was muss man bei der Ersten Hilfe im E-Auto beachten?

Es gibt neben den oben genannten Vorsichtsmaßnahmen keine speziellen Unterschiede zu Hilfsmaßnahmen bei Fahrzeugen mit konventionellen Verbrennungsantrieben. Notarzt und ADAC gelbhilft-Ausbilder Dr. Hardy Richard weist aber nochmals auf eine Grundregel hin: „An erster Stelle steht immer die Eigensicherheit des Helfers.“

In dessen Ermessen liege es, ob und in welchem Umfang Erste Hilfe geleistet wird. Der größte Fehler sei es jedoch nichts zu tun. Und egal ob ein Unfallwagen einen Benzin-, Diesel-, Hybrid oder Elektromotor hat – es sollte in jedem Fall ein Notruf abgesetzt werden. Die Nummer lautet: 112, europaweit.

Wie sehen die konkreten Schritte bei der Ersten Hilfe im E-Auto aus?

Dr. Hardy Richard: „Zunächst muss die Unfallstelle abgesichert werden. Dazu gehören unter anderem das Aufstellen des Warndreiecks und Einschalten der Warnblinkanlage.“ Dann werde der Notruf unter 112 abgesetzt. Neben den üblichen Fragen zum Unfall („Was ist passiert?“, „Wie viele Menschen sind betroffen?“, „Welche Verletzung oder Erkrankung liegt vor?“) sollten Ersthelfer den Rettungsdienst darüber informieren, wenn es sich bei dem verunfallten Fahrzeug – soweit feststellbar – um ein E-Auto handelt.

Wie verhält sich der Ersthelfer, wenn der Verunfallte nicht bei Bewusstsein ist?

Dr. Hardy Richard: „Ist ein Verunglückter am Unfallort bewusstlos oder lebensgefährlich bedroht, sollte man den Betroffenen mit einem Rettungsgriff aus dem Auto ziehen, sofern man sich damit nicht selbst in Gefahr bringt.“ Dazu gehöre beispielsweise auch, falls möglich, die Zündung auszuschalten und die Feststellbremse zu aktivieren oder den Getriebewählhebel auf P wie Parken zu schalten.

Und wie geht man bei einem Rettungsgriff vor?

Folgendes ist zu beachten. Ausbilder Dr. Hardy Richard erläutert die einzelnen Schritte: „Öffnen Sie den Sicherheitsgurt, bringen Sie bei nicht ausgelöstem Airbag niemals Ihren Kopf zwischen Armaturenbrett und den Körper des Unfallopfers!“ Darüber hinaus muss berücksichtigt werden, dass die Füße beziehungsweise Beine des Unfallopfers nicht eingeklemmt sind. „Umgreifen Sie dann den Betroffenen, drehen Sie seinen Rücken zu sich hin und legen Sie einen Unterarm des Unfallopfers vor dessen Bauch“, sagt Dr. Richard. Danach werde mit den Händen durch die Achselhöhlen des Opfers gegriffen und dessen Unterarm im „Affengriff“ gefasst. Zum Schluss sollte man den Betroffenen vom Sitz an einen sicheren Ort ziehen, mindestens zehn Meter vom Unfallwagen weg.

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