Windischeschenbach (obx). Es ist bis heute eines der spektakulärsten Forschungsprojekte der Wissenschaftsgeschichte: Die Kontinentale Tiefbohrung (KTB) bei Windischeschenbach in der nördlichen Oberpfalz. Dort haben Geologen mit dem mit 83 Metern höchsten Bohrturm der Welt über vier Jahre lang das immer noch tiefste offene Bohrloch der Erde in hartem Gestein geschaffen. Auch mehr als drei Jahrzehnte nach dem Ende der Bohrung geht die Forschung an dem 9.101 Meter tiefen Bohrloch weiter – mit Messgeräten in einer Tiefe, wo das Gestein bei Temperaturen um die 300 Grad bereits flüssig wird.
Dass die aufsehenerregende Bohrung 1987 ausgerechnet in der Oberpfalz begonnen wurde, war kein Zufall. Denn hier stießen vor etwa 320 Millionen Jahren die Urkontinente Eurasien und Afrika aufeinander. Die Bohrung an der Nahtstelle der beiden Kontinentalplatten versprach nicht nur aufregende Erkenntnisse. Sie war auch eine enorme technische Pionierleistung.
Trotz intensiver Vorbereitung versagten in 7.000 Metern Tiefe, bei glühend heißen 220 Grad, die Akkus der Bohrer-Steuerung ihren Dienst. Die Folge: der Bohrer kam etwa 300 Meter seitlich von seiner Bahn ab. Nach 1.468 Bohrtagen blieb er 1994 schließlich in 9.101 Metern Tiefe stecken.
Für die Forscher war das Projekt dennoch ein voller Erfolg. Die bei 278 Grad Hitze gewonnenen Gesteinsproben lieferten viele Erkenntnisse über die Abläufe im Erdinnern. Heute ist das Bohrloch in der Oberpfalz Teil eines internationalen kontinentalen Tiefbohrprogramms.
Nicht nur für Wissenschaftler aus aller Welt, auch für Touristen ist die Kontinentale Tiefbohrung in der Oberpfalz ein lohnendes Ziel. Die Besucher- und Forschungseinrichtung, das so genannte „Geo-Zentrum“, richtet sich an kleine und große Entdecker, die Freude an Geografie, Natur und Technik haben. Besucher erhalten Einblick in das komplexe System der Erde, unter anderem durch die Dauerausstellung „System Erde“, ein Kino, in die komplette Bohrausrüstung für Tiefbohrungen sowie den höchsten Landbohrturm der Welt. Die Anordnung von Haken, Stabilisatoren, Bohrstangen und -meißeln, mit der das tiefe Loch gebohrt wurde, ist ebenfalls Teil der Besichtigung.
Auch die Umgebung der Forschungsstätte bietet zahlreiche geologische Sehenswürdigkeiten. Das Zentrum ist ein Partner des Bayerisch-Böhmischen Geoparks. Der Bayerisch-Böhmische Geopark ist mit seiner Ausdehnung von rund 5.500 Quadratkilometern mehr als doppelt so groß wie das Fürstentum Luxemburg und etwa halb so groß wie die Insel Zypern. Rund 3.500 Quadratkilometer umfasst der bayerische Teil. Die Vielfalt seiner geologischen und naturräumlichen Besonderheiten ist enorm, entsprechend beliebt sind die Führungen an der Seite ausgebildeter Geopark-Ranger.
Ein Ausflug zur Kontinentalen Tiefbohrung lässt sich auch gut mit einer Radtour auf der Erlebnisrunde „Vulkane und Erdgeschichte“ der Oberpfälzer Radl-Welt verbinden. Der 112 Kilometer lange Rundkurs kreuzt die erloschenen Vulkanberge der Region inklusive Vulkanmuseum in Parkstein.
Mehr im Internet: www.geozentrum-ktb.de und www.geopark-bayern.de