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Montag, April 29, 2024

Verheiratung

Lesestoff

Das Museum Moderner Kunst zeigt Werke Arnulf Rainers und Karl Schleinkofers

(von Tobias Schmidt)

Es gibt Liebespaare, die sich bewusst Auszeiten voneinander nehmen, um die Frische ihrer Beziehung als fortwährende Neuentdeckung des Anderen nicht zu verlieren. Es gibt Kunstfreunde, die hin und wieder ein ihnen wichtiges Bild im Haus verhängen, um sich auch weiterhin daran satt zu sehen, anstatt es irgendwann satt zu haben. Aber muss es immer gleich so ein „kontrollierter Verzicht“ sein, um einer Verlustangst beizukommen?

Braucht es zeitlich beschränkte Preisgabe der Präsenz von etwas Lieb und Teurem, um sich seiner Essenz immer wieder zu versichern?

Der Künstler Arnulf Rainer fand in den frühen 1950er Jahren einen ganz eigenen Weg. Er übermalte Bilder, oder malte sie gar gänzlich zu. Rainer nutzte dazu Kopien bekannter Gemälde, Ikonen der Fotografie oder auch eigene Werke. Auf den ersten Blick ein frevlerischer, ja grausamer Akt, ein Sich-an-etwas-vergehen um Es-sich-anzueignen. Doch denkt man einmal genauer nach, steckt mehr dahinter: da ist das anteilig oder gänzliche Unsichtbarmachen eines Bildes – was jedoch in seinem Rahmen und angestammten Platz, also „präsent“ bleibt, und so für den Betrachter neu und zugleich auch immer noch (nur eben verändert) da ist. Oder es wird einem Bild per Übermalung eine neue, bedeutungstragende Form beigeben, ein Kreis ein Kreuz, gar ein Schriftzug. Einmal folgen diese den Bildlinien, dann wieder setzen sie sich bewusst davon ab, betonen allein das Physische des künstlerischen Akts. Arnulf Rainers: „Ich habe das übermalt, zu dem ich eine Beziehung hatte. Für mich sind das keine Aggressionen, sondern Verheiratungsformen. Es geht nicht darum, das andere zu vernichten, sondern um einen Dialog, aus dem sich etwas Neues herausbildet.“

Am 8. Dezember wird der weltbekannte Maler, der im oberösterreichischen Enzenkirchen lebt und arbeitet und ein Atelier in Schloss Vornbach hat, 90 Jahre alt. Das Museum Moderner Kunst Wörlen Passau widmet ihm eine Ausstellung mit zum Teil erstmals öffentlich gezeigten Werken.

Ergänzt wird diese durch Arbeiten des Passauer Künstlers Karl Schleinkofer. Da wo Rainer ganz der Farbe oder einem zugrunde liegenden Motiv folgt, also eher die Flächendimension des Bildraums betont, erschließt Schleinkofer als ein Meister der Schichtung schwarzer und weißer Farbtexturen die Tiefe eines grauen Raumes hinter dem für das Auge Offensichtlichen. Wo Rainer Buchstaben auf die Leinwand bringt, wo der Pinselstrich mit dem Bilduntergrund interagiert, verbleiben bei Schleinkofer allenfalls skripturale Ahnungen und scheint jedem Strich eine Darstellungskraft des im Malakt verborgenen Essenziellen innezuwohnen. Der Strich, so Schleinkofer sei „eine Form des bedingungslosen Sich-Einlassens und der anhaltenden Verausgabung mit dem Ziel, das analytisch kontrollierende, Besitz ergreifende Denken aus der Bahn zu werfen.“ Schöner kann man das Ziel dessen, was bei Schleinkofers einstigem Atelierhauskollegen Arnulf Rainer „Verheiratung“ heißt, wohl nicht zusammen fassen.

Karl Schleinkofer, „o. T.“, 2019 (Quelle: MMK Passau Wörlen)

Vernissage der Doppelausstellung ist am Freitag, 11. Oktober um 19 Uhr im Museum Moderner Kunst Wörlen Passau, Bräugasse 17. Sie ist hernach noch bis 23. Februar 2020 jeweils Dienstag bis Sonntag, 10-18 Uhr zu besichtigen.

Begleitend zur Ausstellung finden am Donnerstag, 24. Oktober um 18 Uhr eine 30 Minuten „After Work“-Überblicksführung sowie Donnerstag, 7. November um 18 Uhr eine, wenige Exponate vertiefende „Slow Art“-Führung statt. Eintrittspreise und weitere Informationen auch unter: www.mmk-passau.de

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