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Donnerstag, Mai 2, 2024

Orakeldamen und Flugmaschinen

Lesestoff

Company of Music eröffnet Konzertwinter 2019/20 der Gesellschaft der Musikfreunde Passau

(von Tobias Schmidt)

„Visionen“ ist das  Eröffnungskonzert der aktuellen Saison 2019/20 des Konzertwinters der Gesellschaft der Musikfreunde Passau e.V. am 12. Oktober überschrieben. In die musikalische „Glaskugel“ hineinschauen beziehungsweise -hören lässt dabei der Kammerchor Company of Music unter Leitung von Johannes Hiemetsberger und einem a cappella Programm mit Vertonungen phantastischer Prophezeiungen. Der Wiener Klangkörper ist bekannt für seine vollendete Interpretationskunst von Vokalmusik der Frührenaissance bis hin zu Klängen der Jetztzeit. Bei seinen Heimspielen im Wiener Konzerthaus – wo Company of Music seit fünf Jahren einen eigenen Programmzyklus gestaltet – interagiert das Vokalensemble auch gern mit anderen künstlerischen Vermittlungsformen, etwa Film, Bildender Kunst oder Literatur. Was steht beim Passauer Konzert auf dem Programm? Musikhistorisch Bewanderte müssen nicht lange orakeln, wenn’s hier thematisch ums Orakeln geht: Es wird natürlich etwas aus Orlando di Lassos Motettensammlung „Prophetiae Sibyllarum“ (veröffentlicht 1600, komponiert vermutlich ab den 1550er Jahren) zu hören sein. Zwölf jeweils sechszeilige kleine Vorhersagen, in denen Herkunft und Kommen des Gottessohnes der Christenheit, den seit der Antike im gesamten Mittelraum bekannten weiblichen Sehergestalten, den Sibyllen, in den Mund gelegt wird. Und damit diese „Dramendamen“ beim Hörer auch wirklich gewohnt „leicht verhangen, den Geist uneindeutig vernebelnd“ – eben „sibyllinisch“ – ankommen, schrieb der schlaue Di Lasso ein kleine Vorrede für Chor, die bis heute als Schelmenstück für kollektive Ohrenverwirrung unter Aufbietung chromatischer Mittel gilt.

Weniger Renaissanceklang als passend zur heuer 500. Wiederkehr des Todestages von Renaissance-Universalgenie Leonardo da Vinci ist das Stück „Leonardo dreams of his flying machine“ (2010) des bei Chören seit einigen Jahren schwer angesagten amerikanischen Komponisten Eric Whitacre nach einem Gedicht von Charles Anthony Silvestri. Der Schriftsteller lässt darin den Maler, Bildhauer, Ingenieur, Architekten, Naturkundler und Tüftler da Vinci über ein Fluggerät sinnieren. Und in der Tat beschäftigte die Frage, wie der Mensch sich denn den Vögeln gleich fortbewegen könnte da Vinci jahrzehntelang, die in seinem „Kodex über den Vogelflug“ gesammelten Aufzeichnungen sowie Skizzen zu abenteuerlichen Fluggeräten belegen dies.

Zeitgenössische Vertonungen von Texten Leonarda da Vincis

Doch da Vinci beließ es nicht allein bei beweisbarem Weltwissen. Vielmehr diente ihm dieses auch als Grundlage für späte Texte, in denen er die Grenzen des Vorstellbaren und der gedanklichen Überzeichnung ausloten wollte. Passagen aus diesen „Profezie“ vertonte der österreichische Komponist Beat Furrer in seinem 2006-2013 entstandenen „enigma-Zyklus“ für gemischten Doppelchor a cappella. Furrer verzahnt hier verschiedene Stimmen nach der bereits in der hochmittelalterlichen Ars Nova entwickelten Hoquetus-Technik, ein in der zeitgenössischen Musik als Referenzpunkt immer wieder einmal anzutreffendes Prinzip. Doch geht es hier um ein inhaltliches Gestaltungsmittel: Ein Motiv steht hier für eine bildliche Erscheinung da Vincis, seine vokale Entgegnung hingegen für dessen verändertes, verzerrtes, zu lautmalerischer „Silbenschnitzelei“ reduziertes und dann in einem Klangschwall vielfach vergrößertes Abbild.

Company of Music (Foto: Theresa Pewal)

Und weiter geht’s mit großen Namen – bei Komponisten wie auch Textautoren: Die russische Komponistin Sofia Gubaidulina vertonte 1994 einige Visionen der Benediktineräbtissin, Mystikerin und katholischen Kirchenlehrerin Hildegard von Bingen (1098-1179) für Contraalt solo. György Ligetis Chorphantasien nach Friedrich Hölderlin (1982) werden erklingen, und natürlich darf die „Lux aeterna“ (1966) dieses großen österreichisch-ungarischen Tonsetzers nicht fehlen. Begräbnismusik eines Atheisten, die die Welt nach deren Daseinszweck befragt. Und das in einer eng geführten Polyphonie für 16 Stimmen, die so vorher wohl nirgends zu hören war (und 1968 in Stanley Kubricks „2001-Odyssee im Weltraum“ sogar zu Filmmusikehren kam).

Das Eröffnungskonzert der Konzertwintersaison 2019/2020 mit dem Programm „Visionen“ von Company of Music unter Leitung von Johannes Hiemetsberger am Samstag, 12. Oktober in der Kirche von Kloster Niedernburg in Passau beginnt um 20 Uhr. Tickets kosten 23,- Euro/ermäßigt 18,- Euro sowie 10,- Euro für Schüler, Auszubildende und Studierende. Reservierungen sind möglich unter (Achtung neue Telefonnummer!) Tel. 0159 01537666 alternativ auch per E-Mail an: karten@musikfreunde-passau.de. Außerdem sind Tickets online bei www.okticket.de erhältlich.

Übrigens: Wer angesichts von soviel klingender Prophezeiung, Lust am „Musikalischen Hobby-Augurieren“ bekommen haben, kann in der Konzertpause einen Blick ins Heft zur Saison, oder jetzt schon auf www.musikfreunde-passau.de werfen. Allzuviel Laienprophetie braucht’s gar nicht, um festzustellen, dass der kommende Konzertwinter wieder ganz besonders wird. Wir werden berichten.

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