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Sonntag, April 28, 2024

Gott greift nicht ein

Lesestoff

Verdi-Requiem mit dem Heinrich-Schütz-Ensemble und dem ODEON-Jugendsinfonieorchester

(von Tobias Schmidt)

Ein Revolutionär des Musiktheaters, ein leidenschaftlicher Kämpfer des Risorgimento, also der italienischen Unabhängigkeitsbewegung im 19. Jahrhunderts – was wird Giuseppe Verdi nicht alles zugeschrieben. Und ein agnostischer Kirchenkritiker soll er laut eigenem Bekunden auch gewesen sein.

Was manche Musikfreunde nicht so recht glauben mögen. Zu präsent nimmt sich einfach die 1874 entstandene „Messa da Requiem“ im Œuvre des Komponisten aus. Da hatte Verdi die sechzig überschritten, öffentlich hoch verehrt, war er jedoch nach dem Tod von Frau und Kindern allein und verbittert zurück geblieben. Der Freund und Berufskollege Gioachino Rossini war bereits 1868 in Paris gestorben, und Verdis Idee einer gemeinsam mit anderen Komponisten erstellten Totenmesse für Rossini hatte sich – wohl aus mangelndem „Teamgeist“ – in Luft aufgelöst. Dann starb 1873 auch noch sein schriftstellerisches Jugendidol, spätere Freund und politische Ideengeber des Risorgimento Alessandro Manzoni. Nun war Verdi ganz allein. Freundin Clarina Maffei schrieb er damals: „…so sehr ich gegen die Hässlichkeit dieser Welt verhärtet bin, ein wenig Herz ist mir geblieben und ich weine noch. Sagen Sie es nicht weiter, aber es kommt vor, daß ich weine!“. Und weiter: „Meine religiösen Begeisterungen sind vergangen, und kaum mehr glaube ich angesichts der Wunderlichkeiten seiner Geschöpfe an Gott.“Und doch muss diese Phase großer Betrübnis eine intensive künstlerische Auseinandersetzung mit dem Tod ausgelöst haben, die letztendlich in große Schaffenskraft mündete. Der Beerdigung Manzonis blieb er zwar fern, doch wollte er, wie einst bei Rossini, abermals auf den Rat der Stadt Mailand zugehen, um „etwas zu seinem ehrendem Gedenken vorzuschlagen“. Dieses „Etwas“ gewann schlussendlich Gestalt in der am 22. Mai 1874 in Mailand uraufgeführten musikdramatischen Bearbeitung des Requiems, der kirchlichen Totenmesse.

Der Schriftsteller Alessandro Manzoni (Gemälde von Giuseppe Molteni) und Giuseppe Verdi (Gemälde von Giovanni Boldini)

Heute ein veritabler Klassikhit, war das Werk nicht unumstritten. Eine Tendenz zur Verweltlichung kreidete man dem Werk an, und verkannte darüber auch noch den hier Klang gewordenen uralten Zusammenhang von Ritus als „Heiligem Spiel“. Indem man die Messa da Requiem etwa wie der Dirigent Hans von Bülow als „Oper im Kirchengewande“ kritisierte. Verdi berichtet hier vom Menschen als glaubendem und mitunter zweifelndem Individuum. Bisweilen muss dieser Dinge dem Ritus nach sagen, die so gar nicht im Einklang mit der eigenen Todesfurcht oder auch Erlösungshoffnung stehen. Diese Ambivalenz, der große Zweifel am Dasein wird nicht aufgelöst. Gott greift nicht ein – wir sind ja schließlich nicht bei der Oper. So ist diese Totenmesse ganz immanent, im Hier und Jetzt. Sie ist dem endlichen Wesen Mensch zugewandt, dem es Fragen nach dem Umgang mit dem eigenen Tod stellt.

ODEON Jugendsinfonieorchester München (Foto: Tobias Melle)

Bis heute versuchen übrigens Komponisten Verdis Ansatz in ähnliche Werke zu überführen (wirklich Erfolg damit hatte vielleicht nur Leonard Bernstein 1971 mit seinem Theateroratorium „Mass“). Giuseppe Verdis „Messa da Requiem“ erklingt am Sonntag, 10. Februar 2019 um 17 Uhr in der Stadtpfarrkirche St. Peter in Passau. Heidelinde Schmid (Sopran), Marlene Lichtenberg (Alt), Youn-Seong Shim (Tenor) und Holger Ohlmann (Bass) musizieren gemeinsam mit dem Heinrich-Schütz-Ensemble Vornbach, dem ODEON-Jugendsinfonieorchester München sowie jungen Instrumentalisten der Passauer Schulen unter der künstlerischen Gesamtleitung von Martin Steidler.

Karten sind unter der Tickethotline 0851 20549880 (AB) und per Email an: karten@heinrich-schuetz-ensemble.de sowie an der Abendkasse erhältlich. Weitere Informationen unter www.heinrich-schuetz-ensemble.de.  

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