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Samstag, Mai 11, 2024

Europäische Brennpunkte und Höhepunkte

Lesestoff

Die Festspiele Europäische Wochen Passau besinnen sich auf ihren Gründungsauftrag. Eine kleine Programmvorschau

(von Tobias Schmidt)

Das organisationsinterne Fahrwasser der Festspiele Europäische Wochen scheint ruhiger geworden. Man hat wieder Zeit, das Thema Europa in den Blick zu nehmen. Das ist auf den Programmheften der diesjährigen 67. Festspiele Europäische Wochen Passau mit einer Augenpartie in Nahaufnahme bildlich visualisiert. Warum das Motto „Europa im Blick“ nicht auch verbalisieren?, mag man den künstlerischen Leiter Dr. Carsten Gerhard und sein Team fragen, betonen diese Festspiele heuer doch einmal mehr ihren namengebenden Entstehungsgedanken. Seit der Gründung 1952 ging es darum, das Friedens- und Freiheitsprojekt Europa mit den Mitteln der Kultur als Gestaltungsaufgabe zu feiern, zu bewahren und zu entwickeln. Und das von einer mitteleuropäischen Grenzstadt aus, der die zurückliegenden Jahrzehnte fallender Grenzen merklich gut taten. Wie wird man sich hier in unserer Zeit gesellschaftlicher Schließungen aufstellen?

Sharon Kam (Foto: Maike Helbig)

Ein Thema durchspielen. Und das nicht nur musikalisch

Schauen wir einmal im Überflug auf Programmpunkte der Festspiele in der Dreiflüssestadt und ihrem Umland bis Anfang Juli. Die zeitkritischen Beiträge seien dabei ebenfalls berücksichtigt ausgespart: Die Festrede zur Eröffnung am 21.6. wird Prof. Jan Assmann – gemeinsam mit Ehefrau Prof. Aleida Assmann diesjähriger Träger des Deutschen Buchpreises – halten. Ein Ägyptologe, der das tradierte Selbstbild der Völker als „kulturelles Gedächtnis“ untersuchte. Auf den Europagedanken bezogen (und im Wissen um Assmanns Debattenbeiträge), wird diese Rede nicht nur ein historischer Rückblick sein. Am 22.6. rezitiert Stefan Sieh, Ensemblemitglied des Landestheaters Niederbayern, aus Victor Hugos Eröffnungsrede des zweiten internationalen Friedenskongresses im August 1849 in Paris. Ein Manifest der „Vereinigten Staaten von Europa“. In der neuen (und durchaus mit prominenter Wortmarke beworbenen) Reihe „Brennpunkt Europa“ folgt am 23.6. ein Vortrag zum Europäischen Grenzregime im Lichte der Flüchtlingsthematik mit dem österreichischen Politikwissenschaftler Geral Knaus. Ab 28.6. läuft rund um den Stadtturm die Aktion „Internationale Austauschsocke“ des Künstlerinnenkollektivs „Keep it complex“ – eine humorvolle Verarbeitung des Brexits wird hier beim Mitternachtsshopping auf Tuchfühlung mit der Passauer Bevölkerung gehen. Das Kulturmodell Bräugasse zeigt ab 3.7. besondere Landschaftsfotos: Die Gletscher der alpinen Hochlagen wirkten wie Zeitkapseln. Doch nun geben sie Schlachtfelder des Ersten Weltkrieges frei. Die Berliner Theatergruppe Rimini Protokoll zeigt politische Wirkkräfte Europas. Und zwar ab 28.6. in Privatwohnungen bei der Performance „Hausbesuch Europa“. Gern gaben sich die Europäischen Wochen in den vergangenen Jahren niederschwellig, ein modernes Festival soll inkludieren, ein unter dem Gedanken der europäischen Einheit stehendes in diesen Zeiten der Spalter sowieso.

Planspiel “Rimini Protokoll“ (Foto: Pigi Psimenou)

Etablierte Künstler, Nachwuchsmusiker und Crossover-Formate

Spontanen Kontakt mit (Noch-)Nicht-Publikum sucht auch der musikalische Zweig der Festspiele. Hingewiesen sei hier auf die drei eintrittsfreien „Nacht-Stücke“, abendliche Straßenmusik in kleiner Besetzung. Allesamt „Teaser“ für die Konzerte mit Preisträgern des Deutschen Musikwettbewerbs. Der Start am 22.6/23.6. erfolgt jazzig – mit Maxine Troglauer (Bassposaune) und Vanessa Porter (Schlagwerk). Kurzentschlossenen sei das Eröffnungskonzert der Europäischen Wochen am 21.6. empfohlen. Das Streichquartett Quatuor Modigliani und die israelischen Klarinettistin Sharon Kam spielen in St. Michael Werke von Mozart, Debussy, der finnischen Komponistin Kaija Saariaho und von dem, bei den EW schon mehrfach mit Streicherkonzerten vorgestellten Jörg Widmann – diesmal mit Musik für sein eigenes Instrument, mit der Fantasie für Klarinette solo. Ein kultureller Tagesausflug nach Tschechien (der jetzt nicht mehr blumig „Traumtag in Böhmen“ heißt) führt am 29.6. an Schauplätze des, in Passau nicht zuletzt durch den Verleger Karl Stutz bekannt gemachten Böhmerwaldautors Karl Klostermann. Auf drei Termine im südlichen Landkreis sei noch hingewiesen: Klassik und Pop a cappella dargeboten vom Sextett Slixs am 27.6. in Ortenburg, die Spanische Nacht mit der Amsterdam Sinfonietta und Pablo Sáinz Villegas am 5.7. in Fürstenzell und am 6.7. ist in Pocking ein Fest musikalischen Humors im Jazzgewand zu feiern. Der Trompeter Matthias Schriefl und seine Formation Six, Alps & Jazz trifft auf den (ganz früher mal klassischen und heute) Jazzflötisten Jiří Stivín.

Sinfonietta Amsterdam (Foto: Marco Borggreve)

Die 67. Festspiele Europäische Wochen Passau finden vom 21. Juni bis 28. Juli 2019 statt. Die Festspielorte erstrecken sich von Deggendorf bis Engelhartszell in Oberösterreich und Burghausen bis nach Grafenau. In der Dreiflüssestadt gibt es fünfzehn Veranstaltungsorte. Die Kartenzentrale des Festspielbüros ist in der Bahnhofstraße 32, 94032 Passau, Tel. 0851 56096 26 sowie per E-Mail an kartenzentrale@ew-passau.de erreichbar. Nähere Informationen und Onlinebuchung sind zudem unter www.ew-passau.de erhältlich.

Gerald Knaus (Foto: Christian T.J. Jürgensen)
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