11 C
Hutthurm
Montag, Mai 6, 2024

Landkindergärten arbeiten am Limit

Lesestoff

Leiterinnen und Träger schildern den MDLs Muthmann und Schmidt ihre Probleme – Forderungskatalog wird erarbeitet

Zu viel Bürokratie, zu wenig Zeit für Betreuung: Klartext gesprochen haben die Leiterinnen und Träger von Kindergärten aus dem Landkreis Freyung-Grafenau bei einem Gespräch mit den FREIE WÄHLER Landtagsabgeordneten Alexander Muthmann und Gabi Schmidt. Alle Einrichtungen kämpfen derzeit mit dem gleichen Problem: Mit der Umsetzung des Bayerischen Kinderbildungs- und -betreuungsgesetzes (BayKiBiG), das 2005 in Kraft getreten ist. “Die Vorgaben sind für Kindergärten auf dem Land unzumutbar“, lautete die einhellige Meinung. “Das wollen und können wir nun nicht mehr so hinnehmen, wir sind am Limit angelangt.“
“Es besteht die Gefahr, dass die Politik in München oft gar nicht mehr weiß, welche Auswirkungen ihre Entscheidungen auf dem Land haben“, sagte Muthmann zu Beginn des Gesprächs und bat darum, dass sich die Kindergartenleiterinnen und Träger “kein Blatt vor den Mund nehmen“. Und das taten diese dann auch.

Bürgermeister Manfred Eibl, der zusammen mit Alexander Muthmann zu dem Treffen ins Perlesreut Rathaus eingeladen hat, brachte das Problem aufs Tapet: Bei allen neun Mitarbeitern im Kindergarten Perlesreut beispielsweise ändern sich oft monatlich die Arbeitsverträge. “Eine Mitarbeiterin hat 56 Nachträge“, sagte Eibl. Der Grund: Jede Neuaufnahme oder Abmeldung eines Kindes hat Auswirkungen auf die gebuchten Betreuungsstunden und damit auch auf die Arbeitszeit der Mitarbeiter. Es könne sein, dass die Erzieherinnen im September mit 30 Stunden im Monat anfangen – im Oktober dann aber nur noch 27 arbeiten. “Das ist unerträglich.“ Sowohl für den Träger, der immer mehr Bürokratie zu bewältigen hat, als auch für die Mitarbeiterin, der man keine Planungssicherheit geben könne. Bei Kindergärten in der Stadt spiele dies keine Rolle. “Wenn ein Kind ausfällt, stehen genügend andere auf der Warteliste, und es ändert sich nichts bei den Betreuungsstunden.“ Auf dem Land funktioniere dies nicht.

Daniela Luksch, Leiterin des Kindergartens St. Elisabeth in Schönberg, erklärte, in ihrer Einrichtung müssen derzeit an zehn Monaten eines Jahres Vertragsänderungen durchgeführt werden. “Den Mitarbeiterinnen können innerhalb von zwei Wochen die Stunden um 20 Prozent gekürzt oder erhöht werden – das steht so im Vertrag drin.“ Dies msüse man so hinnehmen, auch wenn so eine Vertragsregelung laut MdL Gabi Schmidt unrechtmäßig ist. “Da muss man doch mal vor Gericht.“

Auf ein weiteres Problem ging Christine Putz, Leiterin des Kindergartens St. Anna in Perlesreut, ein. “Für sechs einjährige und sieben zweijährige Kinder habe ich derzeit in unserer Krippe zwei Mitarbeiterinnen“, erklärte Christine Putz. “Wenn ein Kind gewickelt wird, hat die andere zwölf Kinder zu betreuen.“ Dies sei den Mitarbeiterinnen nicht mehr länger zumutbar. “Der Betreuungsfaktor von 2,0 ist zu niedrig angesetzt und muss erhöht werden. Wenn wir den Bildungsplan gut umsetzen sollen, brauchen wir auch gute Rahmenbedingungen.“

Dass kleinere Gruppen und ein besserer Erzieherin-Kind-Schlüssel wünschenswert sind, sagte auch Bettina Helling, Leiterin der Caritas-Kindertagesstätte St. Peter in Waldkirchen. “Es gibt immer mehr auffällige Kinder, auch Asylkinder brauchen eine andere Zuwendung.“ Zeit für Gespräche mit Eltern um zu helfen und zu beraten sei in dem derzeitigen Modell gar nicht vorgesehen. “Wenn ich mit den Eltern rede, bin ich nicht bei den Kindern.“ Die Situation sei mittlerweile so, dass Erzieherinnen aufgrund des Arbeitspensums kaum noch Interesse daran haben, die Leitung eines Kindergartens zu übernehmen. Daher fordert Bettina Helling eine Freistellung der Kindergartenleitung. “Diese Stelle hat nichts im Erzieherinnen-Kind-Schlüssel verloren.“

Dass die Ausbildung zur Erzieherin nicht mehr lukrativ sei, sagte Petra Stögbauer, Leiterin des Kindergartendorfs Neureichenau. Arbeitsverträge können oft nur für 15, 20 oder 25 Stunden abgeschlossen werden, damit die verschiedenen Schichten im Kindergarten besetzt werden können. Vollzeitstellen werden immer weniger. “Es lohnt sich für junge Menschen doch nicht, eine fünfjährige Ausbildung zur Erzieherin zu machen um dann nur eine Teilzeitstelle zu bekommen“, sagte Petra Stögbauer, die nur am Rotieren ist, damit der Personalschlüssel auf dem Papier stimmt. “Unser ganz großes Dilemma wird sein, dass die Erzieherinnen aus dem Beruf flüchten.“ Auch Schönbergs Pfarrer Michael Bauer sieht diese Entwicklung bedenklich. “Von einem 15 Stunden Vertrag kann keiner leben.“ Es sei den Mitarbeitern nicht zu verdenken, wenn sie sich oft eine zweite Stelle suchen. “Das BayKiBiG funktioniert bei Kindergärten, die voll ausgelastet sind – aber nicht bei uns auf dem Land.“

Was den Kindergärten ebenfalls zu schaffen mache, sei das Betreuungsgeld, berichtete Claudia Lerchl, stellvertretende Leiterin des Kindergartens Arche Noah in Böhmzwiesel. Mütter würden für ihre unter dreijährigen Kinder lieber die 150 Euro vom Freistaat nehmen, als sie in der Krippe anzumelden. “Die Zahlen sind rückläufig.“ Und das, obwohl seit 2008 die Krippen im Landkreis Freyung-Grafenau mit viel Geld ausgebaut wurden.

Für Martin Behringer, Bürgermeister von Thurmansbang, wäre die Rückkehr zur Gruppenförderung die Lösung. “Dann ist es egal ob 15 oder 18 Kinder in einer Gruppe sind.“ Für die Städte könne seiner Meinung nach weiter das BayKiBiG gelten. “Dann muss es eben zwei Modelle geben.“ Auch Manfred Eibl stimmte dem zu, er sieht aber auch die Ausweitung der Landkindergartenregelung als eine Möglichkeit.

Gabi Schmidt, die Mitglied im Sozialausschuss des Bayerischen Landtags ist, erklärte, dass die FREIEN WÄHLER in den vergangen Jahren schon zahlreiche Versuche unternommen haben, um die Situation zu verbessern. “Alle Initiativen wurden von der Staatsregierung abgelehnt.“

Was Gabi Schmidt verwundert ist, dass nicht mehr Petitionen in diesem Bereich den Landtag erreichen. “Ich verstehe nicht, warum sich nichts bewegt.“ Für sie wäre eine Sockelfinanzierung eine Lösung. “Wenn Mütter 150 Euro Betreuungsgeld bekommen, muss der Träger pro Kind auch etwas bekommen. Mit 50 Euro wäre glaube ich schon viel geholfen.“
Damit nun eine erfolgreiche Bewegung initiiert werden kann, einigte man sich auf Anregung von Alexander Muthmann darauf, drei Forderungskataloge zu erarbeiten: Aus Sicht der Politik, der Träger und der Kindergärten. Diese Forderungen sollen dann möglichst breit gestreut und den verschiedensten Stellen vorgestellt werden.

(Bild: Thurmansbangs Bürgermeister Martin Behringer (v.l.), Christine Putz, Perlesreuts Bürgermeister Manfred Eibl, stv. Landrätin Renate Cerny, Petra Stögbauer, MdL Alexander Muthmann, MdL Gabi Schmidt, Pfarrer Michael Bauer, Waldkirchens 2. Bürgermeister Max Ertl, Martina Atzinger, Daniela Luksch, Claudia Lerchl und Beettina Helling)

- Werbung-

More articles

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein

- Anzeige -

Letzte Beiträge