Deggendorf. Die Parlamentarische Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Arbeit und Soziales, Anette Kramme, kam auf Einladung der SPD-Bundestagsabgeordneten Rita Hagl-Kehl nach Deggendorf. Gemeinsam besichtigten die beiden zwei Einrichtungen der Lebenshilfe Deggendorf e.V., die Deggendorfer Werkstätten und das Wohnpflegeheim in Metten und führten dabei Gespräche mit verschiedenen Vertretern der jeweiligen Einrichtung. Die 1971 gegründeten Deggendorfer Werkstätten, mit ihren Werken in Deggendorf, Metten, Osterhofen, Plattling, Regen und Teisnach, arbeiten in verschiedenen Bereichen der Stanz- und Profiliertechnik, erledigen Montage- und Verpackungsarbeiten und sind außerdem in vielen weiteren Bereichen im Dienstleistungssektor aktiv. Dabei beliefern die Deggendorfer Werkstätten seit Jahren erfolgreich Unternehmen, wie die Firma Kermi mit Einzelteilen. Von den etwa 1300 Beschäftigten sind über 600 als Menschen mit Behinderung anerkannt. Im flach hierarchisierten Betrieb sind die Menschen mit Behinderung durch die Vorsitzende des Werkstattrates Annerose Räthel sogar im Vorstand vertreten.
Nachdem die beiden Politikerinnen vom 1. Vorsitzenden der Lebenshilfe Deggendorf e.V. Wolfgang Geier und dem kaufmännischen Leiter Klaus Knüver durch die einzelnen Fertigungsbereiche der Deggendorfer Werkstätten geführt wurden, folgte ein Gespräch, bei dem auch Annerose Räthel, die Vorsitzende des Werkstattrates anwesend war. „Es ist gut und wichtig, dass wir unsere eigene Vertretung im Unternehmen haben. So sind wir bei wichtigen Entscheidungen, die uns immer auch persönlich betreffen, mit im Boot und fühlen uns stärker als Teil des Betriebs“, so Räthel. „Durch die Einschränkungen, die die Beschäftigten in unserem Betrieb haben, haben die meisten keine Chance auf dem ersten Arbeitsmarkt. Wir bieten ihnen hier die Möglichkeit, durch einen geregelten Ablauf, der auf die Bedürfnisse von Menschen mit Behinderung ausgelegt ist, einer sinnvollen Arbeit nachzugehen und sich so als Teil der Gesellschaft zu verstehen“, so Knüver. „Deshalb ist es uns auch wichtig, dass sie mit dem Werkstattrat ihre eigene Vertretung im Betrieb haben“, ergänzt Geier. Auf die Frage der Abgeordneten Hagl-Kehl, ob es denn Möglichkeiten für die Arbeiter in den Werkstätten gäbe, auch in den normalen Arbeitsmarkt zu wechseln meinte Geier: „Die bisherigen Versuche der Werkstätten in diese Richtung sind kaum von Erfolg geprägt gewesen. Es gab den ein oder anderen Versuch, aber fast alle kamen nach einiger Zeit zu uns zurück.“
Staatssekretärin Kramme verwies daraufhin auf das neue Bundesteilhabegesetz, welches Ende letzten Jahres vom Bundestag verabschiedet wurde und Menschen mit Behinderungen durch mehr Möglichkeiten zur Selbstbestimmung den Einstieg in den normalen Arbeitsmarkt durch verschiedene Maßnahmen erleichtern soll. Eine solche Maßnahme sei beispielsweise die Möglichkeit, dass der Staat bis zu 75 Prozent des Arbeitslohns von Menschen mit Behinderung in normalen Betrieben übernehmen könne und somit ein größerer Anreiz für Arbeitgeber geschaffen würde, diese anzustellen. Außerdem wurde der maximale Vermögensfreibetrag für Menschen mit Behinderung von 2600 auf 5000 Euro angehoben und weitere Freibetragsregelungen für Erwerbstätige eingeführt, was als zusätzlicher Anreiz dienen könne, sich eine normale Arbeitsstelle zu suchen. Der kaufmännische Leiter der Lebenshilfe Deggendorf Klaus Knüver warnte jedoch davor, dass dadurch die Werkstätten auch schnell zu Restwerkstätten verkommen könnten: „Die Regelungen sollten so gemacht werden, dass man die Menschen mit Behinderung mit der nötigen Qualifikation am Arbeitsmarkt integriert. Mit dem aktuellen Modell läuft man in Gefahr, dass sich die Betriebe einfach nur nach billigen Arbeitskräften umsehen.“
Im Anschluss an das Gespräch in den Werkstätten besichtigten Staatssekretärin Kramme und Abgeordnete Hagl-Kehl noch das Wohnpflegeheim in Metten. Nach einer Führung durch die Wohnanlage, durch die pädagogische Leiterin Silva Eisenblätter, folgte ein weiteres Gespräch über die Finanzierbarkeit von Einrichtungen für Menschen mit Behinderung. „Die Spendenbereitschaft sinkt von Jahr zu Jahr. Außerdem wird es immer schwieriger für uns, den Überblick über die einzelnen speziellen Förderungsmöglichkeiten zu behalten“, meint Knüver. Staatssekretärin Kramme verwies darauf, dass einige Einrichtungen mittlerweile extra Personal anstellen würden, deren Job darin bestehe, gezielt nach Förderungen zu suchen und sich im Namen der Einrichtung für diese zu bewerben. „Eine weitere Möglichkeit besteht darin, einzelne Firmen und Verbände direkt anzuschreiben und diese um Spenden zu bitten. Ich sammle so selbst jedes Jahr Spenden für eine Einrichtung, damit diese Ausflüge und ähnliches finanzieren kann“, so Kramme weiterhin.
Im Anschluss an das Gespräch bedankten sich die Abgeordneten Hagl-Kehl und Staatssekretärin Kramme für die interessanten Einblicke in den Werkstätten- und Wohnheimbereich der Lebenshilfe Deggendorf e.V.
(Titelbild, von links: Wolfgang Geier (1. Vorsitzender der Lebenshilfe), Anette Kramme (Parl. Staatssekretärin bei der Ministerin für Arbeit und Soziales), Rita Hagl-Kehl (Bundestagsabgeordnete), Annerose Räthel (Vorsitzende des Werkstattrates), Klaus Knüver (kaufm. Leiter) – Foto: Büro Rita Hagl-Kehl)