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Sonntag, April 28, 2024

Chancen für Bewerber so gut wie noch nie

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Jahresbilanz 2021: Plus bei Lehrverträgen im ostbayerischen Handwerk

Die Handwerkskammer zieht Bilanz: 5.004 neue Auszubildende haben von Januar bis Dezember 2021 in Niederbayern (2.617) und der Oberpfalz (2.387) eine Lehre im ostbayerischen Handwerk begonnen. Im Vergleich zu 2020 entspricht das einem Plus von insgesamt 2,16 Prozent. „Vor dem Hintergrund der anhaltenden Pandemie, die zeitweise einen sehr negativen Einfluss auf die Berufsorientierung hatte, eine überaus erfreuliche Nachricht“, bewertet Jürgen Kilger, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Niederbayern-Oberpfalz, die Zahlen. Dennoch bleibe ein Wermutstropfen: „Die Zahlen sind immer noch zu gering, viele Betriebe haben nach wie vor großen Nachwuchsbedarf.“ Als Hauptursachen für den Bewerbungsmangel nennt die Handwerkskammer den demografischen Wandel und gesunkene Schülerzahlen.

Handwerk als attraktiver, krisenfester Arbeitgeber

Für die Branche erweise sich die Situation als besorgniserregend, für die Bewerber hingegen als ideal: „Unsere Handwerksbetriebe haben viele tolle Ausbildungsangebote im Portfolio und bieten während und nach der Lehre hervorragende Perspektiven“, bekräftigt Dr. Georg Haber, Präsident der Handwerkskammer Niederbayern-Oberpfalz. Dass das regionale Handwerk als attraktiver Arbeitgeber punkten kann, habe Corona mehr als verdeutlicht: „Trotz widrigster Umstände haben unsere Betriebe an ihren Mitarbeitern festgehalten und sind zu jeder Zeit ausbildungsbereit geblieben.“ Auch würden handwerkliche Berufe alle Ansprüche erfüllen, auf die junge Menschen heutzutage besonderen Wert legen: „Von abwechslungsreichen Tätigkeiten über selbstbestimmtes, kreatives Arbeiten bis hin zu sehr guten Verdienst- und Aufstiegschancen.“ Dies gelte es laut Haber noch stärker in der Öffentlichkeit zu kommunizieren. Denn: „Nur mit genügend Fachkräften im Handwerk können die Zukunftsherausforderungen wie Klima- und Umweltschutz, Wohnungsbau oder Ausbau von Mobilfunk und Breitband gelingen.“ Habers Fazit: „Junge Menschen, die sich für das Handwerk entscheiden, leisten in entscheidendem Maße etwas Nachhaltiges für unser Land und unsere Gesellschaft.“

Mehr Abiturienten starten Handwerkskarriere

Während die Quote der Auszubildenden mit Mittlerer Reife (36 Prozent) und Mittelschulabschluss (knapp 51 Prozent) nahezu gleichgeblieben ist, ist der Anteil der Auszubildenden mit Hochschulreife auf 10,5 Prozent leicht gestiegen. „Das zeigt, wie attraktiv unsere Branche – gerade auch für Abiturienten – ist“, freut sich Georg Haber. Das Handwerk habe für junge Menschen viel zu bieten: Nach der Lehre stehen etliche Weiterbildungswege offen, beispielsweise zum Meister oder Betriebswirt. Zudem berechtigt der Meistertitel zum Hochschulstudium. Dass der Anteil der weiblichen Auszubildenden auf etwas mehr als 18 Prozent abermals leicht gesunken ist, zeige wie nötig es sei, junge Mädchen und Frauen in der Nachwuchswerbearbeit noch gezielter anzusprechen. „Wir haben unsere Anstrengungen dahingehend verstärkt“, bestätigt Jürgen Kilger. „Um mehr Mädchen für das Handwerk zu gewinnen, ist seit Beginn dieses Jahres unter anderem ein Talentscout in der Region unterwegs.“

Kfz-Mechatroniker ist der häufigste Ausbildungsberuf

Der beliebteste Lehrberuf in Niederbayern und der Oberpfalz ist nach wie vor Kfz-Mechatroniker. 723 neue Lehrverträge wurden hier unterzeichnet. Im Ranking der meisten Neuabschlüsse folgen die Berufe Elektroniker für Energie- und Gebäudetechnik, Anlagenmechaniker für Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik, Schreiner und Maurer. Diese fünf machen 45 Prozent des Gesamtbestands im ersten Lehrjahr aus. Bei den ausländischen Auszubildenden wurde mit einer Quote von 11,9 Prozent auch in diesem Jahr wieder ein Höchststand erreicht. Das Handwerk in Niederbayern und der Oberpfalz bildet 32 Prozent aller Lehrlinge aus.


Nachwuchssicherung: Regierung muss schnell ins Handeln kommen

Statement zur Lehrstellenbilanz 2021 von HWK-Präsident Dr. Georg Haber

Das regionale Handwerk ist systemrelevant. Das war vor Corona schon so, spätestens aber seit Ausbruch der Pandemie hat sich diese Tatsache mehr als verdeutlicht. Fest steht: Ohne handwerkliche Ausbildungsberufe wäre die Reinigung von Krankenhäusern und Arztpraxen, die Reparatur des Fahrrades oder Fahrzeugs, Notfalleinsätze im Sanitärbereich, der Wohnungsbau und der Ausbau digitaler Infrastruktur sowie vieles mehr nicht möglich gewesen. Die gute Nachricht: Das öffentliche Bewusstsein dafür wächst. Das Problem dabei: Diese Erkenntnis kommt womöglich zu spät. Die mangelnde Wertschätzung der letzten Jahre war sicherlich ein Grund, weshalb viele Jugendliche eben nicht ihren Weg ins Handwerk gefunden haben. Und das obwohl unsere Branche schon immer gute Argumente für sich in den Ring werfen konnte: Eine ungebrochen hohe Nachfrage von Seiten der Kunden, eine krisensichere Beschäftigungslage, hervorragende Möglichkeiten sich selbständig zu machen oder einen etablierten Betrieb zu übernehmen. Plus gute Verdienstmöglichkeiten, die denen von Hochschulabsolventen in nichts nachstehen. Nun scheint endlich auch bei der Politik angekommen zu sein, dass das Handwerk nachwuchs- und fachkräftetechnisch gestärkt werden muss, da sich sonst die Zukunftsherausforderungen, vor denen wir stehen, nicht meistern lassen. Die neue Bundesregierung hat gute Ansätze dafür in ihrem Koalitionsvertrag verankert: Die Berufsorientierung flächendeckend auszubauen, wird sicherlich Früchte tragen. Die Erhöhung der individuellen Förderung für die Meisterausbildung kann die Attraktivität der beruflichen Bildung zusätzlich stärken. Zwar lässt sich über Aspekte wie die Ausbildungsplatzgarantie in Zeiten eines Überangebots an freien Lehrstellen streiten, alles in allem hat die Ampel aber gut vorgelegt. Nun gilt es schnell in die Umsetzung zu kommen und genau da könnte der Knackpunkt liegen: Noch befindet sich die Regierung zu sehr im Corona-Modus. Doch die Pandemie darf keine Ausrede mehr sein: Die nächsten Krisen stehen bereits vor der Tür.

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