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Dienstag, April 30, 2024

Aktionstag „Schatzsuche Inklusion – Wie inklusiv ist meine Stadt“

Lesestoff

Passau. „Ich war überrascht, wie viele Hilfen es mittlerweile für Rollstuhlfahrer gibt. So wurde im Oberhaus-Café extra eine barrierefreie Toilette eingebaut. Aber es fiel auf, dass es fast nichts für Blinde gibt“, berichtete Kaj, einer der Schatzsucher, die am 5.5., dem Europäischen Protesttag zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen, in Passau als „Barrierechecker“ unterwegs waren. In kleinen Teams von Menschen mit und ohne Beeinträchtigungen machten sich die Barrierechecker auf die Suche nach Barrieren, aber auch nach guten Lösungen. Der Verein „Gemeinsam leben & lernen in Europa“ (GLL) hatte diesen Aktionstag mit Unterstützung von „Aktion Mensch“ organisiert, um aufzuzeigen, wo und wie Teilhabe von Menschen mit Beeinträchtigungen möglich ist, wo es einfach noch Hürden gibt, die noch nicht überwinden werden können. Christian zum Beispiel ist blind. Er geht seine Kleider gerne im Epoxy kaufen, weil ihm die Verkäuferin sehr geduldig die Farben und das Design erklärt. Im Edeka-Markt bei ihm um die Ecke ist der eine Verkäufer so nett und hilft ihm bei Bedarf. „So kann ich alleine einkaufen und brauche niemanden, der mit mir mitgeht.“ Aber im Bahnhof ist er auf Hilfe angewiesen. 

„Ich komme fast überall hin, schließlich habe ich viele Muskeln.“ Barrierechecker Roland zeigte den Freiwilligen eindrucksvoll, wie er selbständig in der Stadt unterwegs ist, im Bus, in der Stadtgalerie, auf der Maidult. Sein Begleiter Eren war von Roland beeindruckt: „Ich habe gesehen, wie schwer es ist, sich selber zu schieben und Steigungen hoch zu kommen und wie hoch oft die Bordsteinkanten sind. Das braucht viel Kraft!“ Aber vor dem Stufen des „Gemeinschaftsraumes“ von GLL in der Lederergasse 1 musste selbst Roland kapitulieren: die waren zu hoch. Auch der Weg dorthin war beschwerlich: enge Gehwege, wo er auf die Straße ausweichen musste, und das Kopfsteinpflaster ist für alle mit Geheinschränkungen schwierig. Das bedauert Geschäftsführerin Perdita Wingerter, die die ganze Aktion initiiert hatte: „Wir wollen inklusiv sein und offen für alle. Das klappt leider nicht zu 100%. Aber wir bemühen uns.“ So hat unsere Vermieterin z.B. auf den Außentreppen ein Handlauf installiert, sodass zumindest Leute mit Gehbeschwerden sich festhalten können. GLL hat Informationen zu dem Gemeinschaftsraum in leichter Sprache verfasst. Dank einer tollen Broschüre der Stadt Passau weiß man, wo in der Nähe eine barrierefreie Toilette ist und zur Not tragen Freiwillige auch jemanden mit Rollstuhl die Treppen hoch. „Aber eine Rampe für Rollstuhlfahrer mit der richtigen Neigung wäre 9,30 m lang. Das ist unmöglich. Unser Gemeinschaftsraum ist in einem historischen Gebäude in einer historischen Straße, da sind auch Grenzen gesetzt.“

Sie informieren über inklusives Ehrenamt: Maria Zander, Sofie Hoffmann, Nour Aloufan mit Barriere-Checker Roland Kittl (Foto: Gemeinsam leben & lernen in Europa e.V.)

Damit Inklusion funktioniert, braucht es den Willen dazu, die innere Haltung und Einstellung sowie unkomplizierte und freundliche Begegnungen mit Menschen mit Beeinträchtigungen. „Mich hat z.B. die Europa-Bücherei am meisten beeindruckt“, sagt Paul, der zusammen mit Christoph in der Innenstadt unterwegs war: es gibt eine Auffahrrampe, 2 barrierefreie Toiletten, einen Aufzug. Zwar keine Bücher in Brailleschrift, dafür aber Hörbücher, die Blinde nutzen können. „Aber das Allerwichtigste war die Hilfsbereitschaft und die Freundlichkeit der Mitarbeiterinnen. Wir konnten so viele Fragen stellen, sie waren nie gernervt, sondern haben immer versucht, eine Lösung zu finden.“ Das kann auch Christoph bestätigen: „Mir hat die Aktion auch Spaß gemacht und alle waren sehr nett und höflich. Die Aktion war für mich sehr aufschlussreich, weil man für Vieles gar nicht den Blick dafür hat, wenn man durch die Stadt geht.“

(Foto: Gemeinsam leben & lernen in Europa e.V.)

Auch Sofie, Maria und Nour von GLL, die den ganzen Tag einen Infostand in der Fußgängerzone betreuten, blicken zufrieden auf die Aktion zurück. „Die Barriere-Checker-Teams haben sich alle gut verstanden. Für das 1. Mal hat alles gut geklappt,“ zieht Nour Aloufan Bilanz. „Wir wollten ja vor allem darüber informieren, dass das Ehrenamt inklusiver werden muss. D.h. dass sich Menschen mit Beeinträchtigungen ehrenamtlich engagieren können,“ erklärt Projektmitarbeiterin Maria Zander. „Dazu brauchen wir Vereine und Organisationen, wo sich diese Menschen dann auch ehrenamtlich engagieren können sowie Ehrenamtliche, die als Inklusionsbegleiter unterstützen wollen. Da konnten wir einige Kontakte knüpfen.“  Sofie Hoffmann freute sich, dass sich schon die ersten 4 Interessenten mit Beeinträchtigung gefunden haben, die sich nun ehrenamtlich engagieren möchten. „Mein persönlicher Highlight aber war eine Gruppe von Menschen mit Beeinträchtigung aus Köln, die zu Besuch in Passau waren. Ein Mann war besonders begeistert von unserer Aktion. Er will uns jetzt unterstützen, indem er auf Instagram und Facebook für uns die Werbetrommel rührt – auch eine Form des ehrenamtlichen Engagements!“

Interessierte Menschen oder Vereine bzw. Organisationen melden sich einfach bei Sofie Hofmann, Nour Aloufan oder Perdita Wingerter vom Verein „Gemeinsam leben und lernen in Europa“ unter 0851 2132738 oder unter improve@gemeinsam-in-europa.de.

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