Fachverband fordert Reformen für Volksbegehren und Volksentscheid
Am 1. Dezember 1946 stimmten die Menschen in Bayern mit großer Mehrheit per Volksentscheid für die Annahme der Bayerischen Verfassung. Damit verankerte die bayerische Bevölkerung die Volksgesetzgebung auf Landesebene und legte die Basis dafür, dass Bayern heute über eine rege direktdemokratische Kultur verfügt. Trotz der vergleichsweise guten Regelungen der direkten Demokratie in Bayern, bräuchte es nach 75 Jahren endlich Reformen für Volksbegehren und Volksentscheide – deshalb fordert ‚Mehr Demokratie Bayern e.V.‘ die Absenkung der Hürden bei Volksbegehren sowie das fakultative Referendum beim Volksentscheid.
Das Ergebnis des Volksentscheids über die bayerische Verfassung am 1. Dezember 1946 war eindeutig: Bei einer Wahlbeteiligung von 75,7 Prozent votierten 70,6 Prozent der Abstimmenden für die Annahme der Verfassung. Die Bürgerinnen und Bürger anderer Bundesländer stimmten in den Jahren 1946/47 ebenfalls über ihre Landesverfassungen ab, jedoch genoss die bayerische Verfassung die höchste direktdemokratische Legitimation in der Bevölkerung.
Die Verfassung als Grundstein für die direkte Demokratie in Bayern
„Durch die Annahme der Verfassung im Volksentscheid, sprach sich die bayerische Bevölkerung für moderate Regelungen in der Volksgesetzgebung aus und setzte damit den Grundstein für die direkte Demokratie heute“, sagt Susanne Socher, Landesgeschäftsführerin von Mehr Demokratie Bayern. Die Regelungen für Volksbegehren und Volksentscheide in der bayerischen Verfassung waren weitreichender als in anderen Bundesländern. So war das Unterschriftenquorum für Volksbegehren von 10 Prozent damals das niedrigste in ganz Deutschland. Zudem sind Volksentscheide über einfache Gesetze quorenlos. Es reicht die einfache Mehrheit der abgegebenen gültigen Stimmen.
Die bürgerfreundlichen Regelungen gehen besonders auf den Staatsrechtler Hans Nawiasky und den späteren Ministerpräsidenten Wilhelm Hoegner (SPD) zurück. Während der Kriegsjahre lebten sie im Schweizer Exil und erlebten dort die lebendige direktdemokratische Kultur. Nach ihrer Rückkehr nach Bayern, überführten sie diese Erfahrungen in die bayerische Verfassung.
„Die gute Stellung der direkten Demokratie in der Verfassung zeigt, dass die Menschen bereits vor 75 Jahren Vertrauen ineinander und in die Instrumente der direkten Demokratie hatten. Man hat der Bevölkerung zugetraut, diese Instrumente gewissenhaft zu nutzen, um sich politisch einbringen zu können“, so Socher weiter. Die starke Verankerung der Volksgesetzgebung in der Vefassung wirkt bis heute. In keinem anderen Bundesland gibt es so viele direktdemokratische Verfahren wie in Bayern. So gab es im Freistaat bisher 21 Volksbegehren, die in sechs Fällen zum Volksentscheid führten. Bei Verfassungsänderungen kommt es in Bayern automatisch zum Volksentscheid (sogenanntes obligatorisches Referendum). Dieser Fall ist bisher 14 mal im Freistaat eingetreten.
Reformen nach 75 Jahren notwendig
Die Regelungen für Volksbegehren und Volksentscheide sind seit 1946 nahezu unverändert. Deshalb wären Reformen notwendig, um die Instrumente an die heutigen Begebenheiten anzupassen. „War das Unterschriftenquorum von 10 Prozent im Jahr 1946 eines der niedrigsten, ist es mittlerweile deutschlandweit eine der höchsten Hürden. Nur 9 von 21 Volksbegehren in Bayern haben das Quorum gepackt. Wir plädieren daher dafür, das Unterschriftenquorum auf maximal fünf Prozent zu senken, wie es in anderen Bundesländern bereits der Fall ist“, sagt Socher. Bisher können Volksbegehren nur für 14 Tage auf den jeweiligen Rathäusern der Kommune unterschrieben werden. Um die Wirksamkeit der direkten Demokratie in Bayern zu stärken, fordert Mehr Demokratie e.V. die freie und digitale Eintragung sowie eine Verlängerung der Eintragunsfrist auf vier Wochen. Die Regelungen beim Volksentscheid hätten sich seit 1946 bewährt. Dennoch fordert Mehr Demokratie e.V., das Zustimmungsquorum von 25 Prozent bei obligatorischen Referenden zu streichen – ebenso wird die Einführung des fakultativen Referendums gefordert: „Das fakultative Referendum würde es den Menschen ermöglichen, nach Verabschiedung eines Gesetzes im Landtag ein Volksbegehren zu starten, um über das verabschiedete Gesetz per Volksentscheid abzustimmen. Die Praxis gehört zum Alltag in der Schweiz und würde auch in Bayern die direkte Mitbestimmung der Menschen auf ein neues Level bringen“, so Socher.