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Dienstag, Mai 7, 2024

„Willy Brandt – Freiheitskämpfer, Friedenskanzler, Brückenbauer“

Lesestoff

OB Jürgen Dupper eröffnet Wanderausstellung im Passauer Kulturmodell

Passau. Zweifelsohne zählt Willy Brandt zu den herausragenden Staatsmännern des 20. Jahrhunderts. Er trug zur Aussöhnung mit Deutschlands östlichen Nachbarn bei und setzte sich für die deutsche und europäische Einigung ein. Brandt engagierte sich stets für globale Solidarität und Völkerverständigung. Seit Herbst 2019 tourt die nationale Wanderausstellung „Willy Brandt – Freiheitskämpfer, Friedenskanzler, Brückenbauer“ durch ganz Deutschland und macht jetzt auch Halt in Passau.

Mit der Wanderausstellung wird 50 Jahre nach Brandts Antritt als Bundeskanzler ein neuer und vielleicht auch etwas anderer Blick auf den Politiker und Menschen geworfen. Neben einer Vielzahl an historischen Objekten enthält die Ausstellung auch interaktive Elemente, Film- und Tonaufnahmen – auch den Zugang zu einer umfangreichen Online-Biografie.
Neben seiner Biografie stehen insbesondere seine Werte und politischen Ziele im Mittelpunkt, da viele seiner Themen, seiner Werte und Weltanschauung noch heute hochaktuell sind.

„Der Frieden ist nicht alles, aber alles ist ohne den Frieden nichts.“

Willy Brandt, 1981

Am Freitag (14.10.) fand die Eröffnung der Wanderausstellung im Kulturmodell Passau statt. Oberbürgermeister Jürgen Dupper, selbst Mitglied der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands SPD, freute sich sichtlich über das zahlreiche Erscheinen der Gäste. So begrüßte er bei seiner Eröffnungsrede unter anderem den Passauer Landtagsabgeordneten Christian Flisek (SPD), Vertreterinnen und Vertreter aus dem Stadtrat, Andreas Schmal (Geschäftsführer DGB Niederbayern), Bettina Blöhm (Regionssekretärin DGB Niederbayern), David Tabach (Bezirksvorsitzender IG BAU Niederbayern) und natürlich Julia Hornig von der Bundeskanzler-Willy-Brandt-Stiftung d.ö.R. zusammen mit ihrem (Ausstellungs-) Team.

Wanderausstellung zu Willy Brandt im Kulturmodell Passau (Foto: c.niggli)

Jürgen Dupper erzählte von seinen persönlichen Erlebnissen und Erfahren mit und um den Menschen Willy Brandt, so beispielsweise bliebe für ihn der damalige Bundeskongress der Jungsozialisten in Hagen, an dem auch Brandt teilnahm, in bester Erinnerung. Auch die beiden Besuche und Auftritte Brandts in der Stadt Passau blieben nicht unerwähnt – letzterer ein paar Wochen vor seiner Wahl zum Bundeskanzler (1969). Mit Bezug auf den Freistaat Bayern, so Dupper, wäre es zudem auch kein Geheiminis mehr, dass Willy Brandt in diesen Teilen des Landes stets auf große (politische) Gegenwehr stieß; aber vielleicht und doch gerade deshalb wäre Brandt immer gerne nach Bayern gekommen, um sich auch diesen Herausforderungen zu stellen, denn er scheute es stets nicht, da hinzugehn, wo es auch wehtat. Und mit Blick auf den anwesenden Pressevertreter der PNP – und der Tatsache, dass Brandt auch ein Journalist war – erfolgte seitens des Oberbürgermeisters auch der Hinweis darauf, welche Rolle in jener Zeit das lokale Medienunternehmen (PNP) gegenüber Willy Brandt einnahm. So diente die „Passauer Neue Presse“ insbesonderem dem Herausgeber (Johannes Kapfinger) verschiedentlich als „Motor“ für ausdauernde Streitereien und Anfeindungen, insbesondere gegen den damaligen Bürgermeister von Berlin und SPD-Kanzlerkandidat Willy Brandt, die so weit gingen, dass Brandt Strafanzeige wegen üblen Nachrede und Verleumdnung stellte.

Oberbürgermeister Jürgen Dupper eröffnet die Wanderausstellung Willy Brandt im Kulturmodell Passau (Foto: c.niggli)

Julia Hornig bedankte sich für die einleitenden Worte des Oberbürgermeisters und stellte sich sowie die Stiftung vor. Die Bundeskanzler-Willy-Brandt-Stiftung wurde 1994 errichtet und soll an das Leben und politische Wirken Willy Brandts erinnern. Die Stiftung unterhält zwei ständige Ausstellungen über Willy Brandt im Forum Willy Brandt Berlin und im Willy-Brandt-Haus Lübeck. Eine Kernaufgabe der Stiftung bestehe in der Auswertung des Willy-Brandt-Archivs im Archiv der sozialen Demokratie der Friedrich-Ebert-Stiftung und anderer Archive. Ebenso biete sich ein umfassendes historisch-politisches Veranstaltungs- und Bildungsprogramm an.

Julia Hornig von der Bundeskanzer Willy Brandt-Stiftung (Foto: c.niggli)

Julia Hornig und ihr Team freue es sehr, mit der Willy-Brandt-Wanderausstellung jetzt in Passau auf Besuch zu sein. Seit Oktober 2019 toure die Ausstellung durch Deutschland und war unter anderem bereits in Berlin, Köln, Erfurt, Kassel und Leipzig zu Gast.

Hornig erklärte den Anwesenden den systematischen Aufbau der Ausstellung in diesen, so wie sie festhielt „wunderbaren Räumen“ des Kulturmodells; angefangen bei Brandts Geburt, seiner Schulzeit, seinen ersten politischen Schritten, seinem Exil bei der Machtübernahme der Nationalsozialisten durch Hitler, seiner Rückkehr nach Deutschland nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, seiner Abgeordnetenzeit und als Bürgermeister von West-Berlin bis hin zu seiner Kanzlerkandidatur sowie Kanzlerschaft und weiterem (politischen) Engagement auch nach seiner Zeit als Aktiv-Politiker.

Andreas Schmal vom DGB (rechts) mit David Tabach (IG BAU) – Foto: DGB

Herbert Ernst Karl Frahm

Am 18. Dezember 1913 wurde Willy Brandt unter dem Namen Herbert Ernst Karl Frahm geboren. Vorerst zog die Mutter ihn alleine groß, später übernahm der Stiefgroßvater diese Rolle. Seinen leiblichen Vater lernte Brandt nie kennen.

Trotz einer schwierigen familiären Situation legte Willy Brandt eine erfolgreiche Schulausbildung hin. So machte er sein Abitur im Jahr 1932 und begann im Anschluss mit einer journalistischen Ausbildung. Im Fokus stand für ihn die Politik. So trat er zunächst der SPD, später dann der Sozialistischen Arbeiterpartei (SAPD) bei.

Brandts abenteuerliche Flucht nach Norwegen (Foto: c.niggli)

In Gefahr geriet auch Brandt mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten durch Adolf Hitler. Auch die SAPD wurde verboten, und Brandt flüchtete als damals 20-Jähriger über Dänemark nach Norwegen. Von nun an trat er unter dem Decknamen Willy Brandt als Journalist auf. Trotz dem schwierigen Umfeld reiste er mehrere Male nach Berlin, um der SAPD bei ihrem Widerstand gegen den Nationalsozialismus zu helfen – so blieb er auch von Norwegen aus politisch sehr aktiv.

Willy Brandt will die Welt verändern

Mit Ende des Zweiten Weltkriegs konnte auch Brandt wieder in Deutschland arbeiten. 1949 trat er als Abgeordneter der SPD im Bundestag auf und stand dort eng mit dem Bürgermeister von West-Berlin in Kontakt. Zum Bürgermeister Berlins und zum Vorstand des Bunderats wurde Brandt im Jahr 1957 gewählt.

(Foto aus Ausstellung: c.niggli)

Mauerbau, Kanzlerwahl und Kanzlerschaft

In Willy Brandts Augen war das Jahr 1961 der schwärzeste Tag seiner Amtszeit – der erste Tag des Mauerbaus in Berlin am 13. August 1961.

Unter dem Motto „Wandel durch Annäherung“ trat er 1966 zur Kanzlerwahl an. Als Vizekanzler und Außenminister – Bundeskanzler dieser Tage war Kurt Georg Kiesinger (CDU) – hatte Brandt fortan eheblichen Einfluss auf die Auslandskontakte.

Die folgenden Wahlen 1969 gewann er dann ganz für sich: Er pflegte weiter den Kontakt zu den Nachbarn in Ost und West und erhielt dafür 1971 den Friedensnnobelpreis – deshalb gilt er noch heute als Kanzler der Entspannungspolitik.

„Mehr Demokratie wagen“

Willy Brandt, 1969

Als Willy Brandt am 28. Oktober 1969 in seiner ersten Regierungserklärung als Bundeskanzler einer sozial-liberalen Koalition ankündigte „Wir wollen mehr Demokratie wagen“, war die Begeisterung groß. Besonders junge Menschen, die sich in den Jahren zuvor politisiert hatten, sprach Brandt mit seinen Worten – und den folgenden Taten – an. So reformierte die Koalition das Scheidungs- und Abreibungsrecht, das Wahlalter wurde von 21 auf 18 Jahre gesenkt.

(Foto aus Ausstellung: c.niggli)
(Foto aus Ausstellung: c.niggli)

Rücktritt

Im Jahr 1974 – zwei Jahre nach seiner Wiederwahl – trat Willy Brandt zurück. Einer der Gründe war die Enttarnung des DDR-Spions Günter Guillaume, einem engen Mitarbeiter Brandts. Auch soll die damalige Ölkrise und die in Folge dessen wachsende Arbeitslosigkeit in Deutschland eine Rolle gespielt haben. Dennoch blieb Brandt weiterhin politisch aktiv: Bis 1987 war er Vorsitzender der SPD, bis 1992 Bundestagsabgeordneter.

(Foto: c.niggli)

Willy Brandt heiratete drei Mal und hat insgesamt vier Kinder. An der Seite seiner letzten Frau, Brigitte Seebacher, starb er am 8. Oktober 1992 an Krebs – das Ehrengrab Willy Brandts befindet sich auf dem Berliner Waldfriedhof Zehlendorf.

Der Kniefall in Warschau

Bundeskanzler Willy Brandt kniete am 7. Dezember 1970 vor dem Mahnmal im einstigen jüdischen Ghetto in Warschau, das den Helden des Gheto-Aufstands vom April 1943 gewidmet ist. Ob es tatsächlich spontan war oder geplant, lässt sich nicht mehr rekonstruieren. Dennoch ist es in den Bilderhaushalt politischer Symbolik weltweit eingegangen. Fest steht, dass diese Geste ihre Wirkung entfaltet hat, „weil sie überraschend kam, weil sie nicht einstudiert war, weil sie im Rahmen des Üblichen, was man bei Staatsbesuchen eben so tut, völlig unüblich war“.

Dennoch war 1970 dieses Bild hochumstritten. So gab es viele Deutsche, die der Ansicht waren, „der dürfte doch gar nicht knien“, eine Geste der Unterwürfikgeit. So habe dieser Kniefall im Rahmen der Ostpolitik gestanden, damals sei es um die Anerkennung der Oder-Neiße-Linie gegangen, was viele Deutsche empört hat. So wäre die „entspannte“ Ostpolitik innenpolitisch hoch riskant gewesen, die politischen Mehrheiten knapp, und die Konservativen hätten sich sehr lange gegen die Anerkennung dieser Grenze gesträubt.

Der Kniefall (Foto: bpk/Hans Hubmann)

Bis zum Jahr 2000 wurde dieses Bild aber zu einer Ikone, und Willy Brandt bekam damit, weit über seinen Tod hinaus, eine unglaubliche Aura. Denn, so sind sich nicht nur Politologen einig, habe Brandt mit diesem Kniefall stellvertretend um Vergebung für die deutsche Schuld gebeten, obwohl er es persönlich nicht nötig gehabt habe. Brandt habe mit dieser Demutsgeste eine Entwicklung eingeleitet, die nicht selbstverständlich war: Von der Verklärung der eigenen Helden zur Anerkennung eigener Schuld. Brandt habe damals gesagt: „Ich habe das getan, was Menschen tun, wenn die Sprache versagt.“

„Willy Brandt – Freiheitskämpfer, Friedenskanzler, Brückenbauer“
50 Jahre Kanzlerschaft Willy Brandt – Wanderausstellung noch bis zum 13. November 2022 zu sehen im Passauer Kulturmodell (Bräugasse 9) – Mittwoch bis Sonntag: 14 bis 17 Uhr

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