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Dienstag, Mai 14, 2024

Wenn ein warmes Essen zum Luxus wird

Lesestoff

Malteser Mahlzeiten-Patenschaften für Rolf Berlinger

Passau. „Zum Leben zu wenig und zum Sterben zu viel.“ Hart klingt dieser Spruch, vielleicht sogar ein bisschen theatralisch. „Das gibt es bei uns nicht. Das ist unrealistisch in unserem Wohlstandsstaat“, wird manch einer sagen. Doch da täuscht er sich ganz gewaltig.

Manuela Seibold, stellvertretende Leiterin Soziale Dienste bei den Maltesern, kann aus vielfacher Erfahrung davon berichten, wie viele arme Menschen es auch in unseren Breiten gibt, die unverschuldet in diese Situation geraten sind und sich nicht einmal ein warmes Essen am Tag leisten können.

Sie sagt: „Wenn die Rente kaum zum Leben reicht, man jeden Cent dreimal umdrehen muss und man versucht einzusparen, was nicht unbedingt nötig ist. Da wird eine warme Mahlzeit am Tag zum Luxus. Der Weg zur Tafel gehört gerade für immer mehr ältere Menschen zum Alltag. Durch Alter, Krankheit oder eine Behinderung sind viele Menschen in eine finanzielle Schieflage geraten. Die finanziellen Mittel reichen dann oft nicht aus, um selbst einkaufen zu gehen oder sich gar Essen auf Rädern leisten zu können.“ Gesprochen wird darüber in den meisten Fällen nicht. „Altersarmut ist nicht salonfähig und findet hinter verschlossenen Türen statt“, weiß Manuela Seibold.

Diese Türen öffnen sich für die Malteser immer wieder, und sei es oft auch nur einen spaltbreit. Die Betroffenen nehmen ihren ganzen Mut zusammen, erhoffen sich und erhalten Hilfe. Sei es im Besuchs- und Begleitdienst, im Hausnotruf oder Menüservice und in vielen anderen Bereichen. Hier stehen die Malteser unterstützend zur Seite, um das Leben in den eigenen vier Wänden so lange es geht zu ermöglichen.

Damit genau diese Menschen nicht in Vergessenheit geraten und sie ihnen noch effektiver helfen können, haben die Malteser vor einigen Jahren das Projekt der Mahlzeiten-Patenschaften ins Leben gerufen. Das Prinzip ist ganz einfach. Die Malteser suchen nach Spendern, den Paten, die ihnen Geld zur Verfügung stellen. Diese Spenden kommen in einen großen Topf und die Malteser machen sich gezielt auf die Suche nach Menschen, denen es an Mitteln fehlt, sich wenigstens einmal am Tag etwas Anständiges zu Essen zu leisten.

„Die Scheu der Menschen, sich in solchen Notsituationen helfen zu lassen, ist sehr groß. Kein Betroffener hängt seine schwierige Situation an die große Glocke“, weiß Manuela Seibold. Rolf Berlinger aus Passau ist einer der wenigen, der den Mut gefunden hat, über seine Situation zu sprechen. „Vor einem Jahr habe ich ihn zum ersten Mal besucht, um mir ein Bild von ihm und seinem Umfeld zu machen. Denn wir möchten die Menschen, denen wir Gutes tun wollen, natürlich gerne näher kennenlernen. Das sind wir allein schon den Paten schuldig“, so Manuela Seibold weiter.

„Er hat mir ganz offen von seinem Leben und den vielen Schicksalsschlägen erzählt. Vom ersten Atemzug an hatte er es schwer. Sauerstoffmangel bei der Geburt war wohl die Ursache, dass er mit einer schweren Behinderung leben muss. Darunter litt er von Kindestagen an sehr“, berichtet Manuela Seibold von dem Gespräch mit Rolf Berlinger. In einem Dorf in der Nähe von Passau aufgewachsen, konnte er mit drei Jahren immer noch nicht richtig laufen. Die Mutter machte sich Sorgen und suchte einen Arzt auf. Der diagnostizierte eine schwere Spastik. „Aber dumm ist der Bub nicht!“, habe der Arzt damals betont. Seine Mutter bemühte sich immer sehr, eine liebevolle Ehefrau und Mutter zu sein. Sein Vater war ein Arbeiter, ein Mann fürs Grobe, der versucht hat, für seine Familie da zu sein. Eine unbeschwerte Kindheit war Rolf Berlinger nicht vergönnt.

„Wenn man sich in seinem karg eingerichteten Wohnzimmer umsieht, fallen einem sofort die vielen Bücher auf. Thomas Mann, Nitsche und Hermann Hesse lehnen sich im Bücherregal eng aneinander. Herr Berlinger ist, so bezeichnet er sich selbst, ein ‚akademischer Philosoph ohne Universitätsabschluss – ein zurückgezogener Idealist‘. Genutzt hat ihm sein großes Wissen im beruflichen Alltag nichts“, berichtet Manuela Seibold weiter.

Rolf Berlinger war noch keine 20 Jahre alt, als sein Vater starb. Durch seine Behinderung ohnehin schon schwer angeschlagen, brachte ihn dieser Schicksalsschlag endgültig an seine Grenzen. Deshalb musste er die Fachoberschule ohne Abschluss verlassen. Obwohl es ihm sehr schwergefallen ist, absolvierte er eine Ausbildung als Industriekaufmann und geriet dabei sehr schnell an seine körperliche und seelische Belastungsgrenze. Aufgrund seiner Beeinträchtigung und des Todes seines Vaters war er dem Anspruch der Arbeitswelt nicht gewachsen und geriet dann letztendlich nach drei Jahren als Bibliotheksgehilfe in ein schweres Burnout. Seitdem ist er nicht mehr arbeitsfähig.

„Es hat viele dunkle Zeiten gegeben in seinem Leben und er erzählt davon, als würde er mir aus einem Buch vorlesen. Er hat sehr oft mit sich und seinem Leben gehadert“, sagt Manuela Seibold nachdenklich. Ihr, die im Laufe der Zeit viele Menschen und ihre Schicksale kennengelernt hat, geht das von Rolf Berlinger besonders nahe. Mit seinen erst 53 Jahren lebt er von Erwerbsunfähigkeitsrente und verbringt seine Tage mit Fernsehen und Krankengymnastik. Lesen kann er nicht mehr. Seine schönsten Momente sind die Besuche einer Betreuerin seines Pflegedienstes und der Gang zur Tafel.

„Durch die Tafel sind wir auch auf ihn aufmerksam geworden. Seit über einem Jahr versorgen wir Rolf Berlinger jetzt bereits mit warmen Mahlzeiten, die dank der Paten finanziert werden können“, erklärt Manuela Seibold. Bei ihren Besuchen erfährt sie viel Dankbarkeit von den Nutznießern, wie sie betont. Rolf Berlinger verpasst keine Gelegenheit, sich immer und immer wieder für diesen kleinen Luxus, jeden Tag ein warmes Essen, zu bedanken. Es erleichtert sein Leben in vielerlei Hinsicht, was er nie vergisst zu betonen. „Herr Berlinger ist mir wirklich sehr ans Herz gewachsen. Er geht so offen mit seinem Schicksal um. Das bewundere ich sehr“, betont Manuela Seibold.

„Es bedarf eines gewissen Fingerspitzengefühls, die Hemmschwelle für die Betroffenen so niedrig wie möglich zu halten. Deshalb bin ich dankbar, dass ich Rolf Berlingers Geschichte erzählen durfte“, sagt Manuela Seibold und ermuntert so die Menschen, die sich in einer ähnlichen Situation befinden, sich bei ihr zu melden. Auch Paten sind natürlich immer herzlich willkommen, damit die Malteser möglichst vielen Menschen ein warmes Essen am Tag ermöglichen können. Die Spenden können von der Steuer abgesetzt werden und auf Wunsch stellen die Malteser auch Zuwendungsbestätigungen aus.

Kontakt

Manuela Seibold, Tel. 0851 95666-14, E-MailManuela.Seibold@malteser.org

Spendenkonto

Malteser Hilfsdienst e.V. / PAX-Bank e.G. Köln

IBAN: DE14370601201201217012

BIC: GENODED1PA7

Verwendungszweck: Mahlzeiten-Patenschaften Diözese Passau

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