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Freitag, April 26, 2024

Klimaschutz-Veranstaltung der ILE an Rott & Inn

Lesestoff

„Wir müssen klimapositiv werden“

Vom Reden ins Tun kommen: Der österreichische Biologe und Erdwissenschaftler Prof. Dr. Konrad Steiner ruft zum Humusaufbau auf – ILE an Rott & Inn gibt Startschuss für Initiative „Klima-Landwirt – Klima-Paten“ – Inspirierte und bewegte Besucher bei Info-Veranstaltung in Eglsee – Erste Klima-Paten erzählen

Eglsee bei Ruhstorf a.d. Rott. Bestürzung, Aufbruchstimmung und Inspiration – bei der hochkarätig besetzten Info-Veranstaltung zur „Initiative Klima-Landwirt“ im Dorfstadl Eglsee war unter den rund 50 geladenen Gästen alles gleichzeitig zu spüren. Bestürzung, weil die jüngsten Starkregenfälle allen vor Augen führen, wie verheerend sich der Klimawandel vor der eigenen Haustüre auswirkt. Aufbruchstimmung, weil es konkrete Wege gibt, um die Negativ-Folgen des Klimawandels abzumildern. Inspiration, weil es Freude macht, etwas Gutes für den Boden und die Biodiversität zu  tun. Wie die Landwirtschaft als maßgebliche Stellschraube dazu beitragen kann, hat  in Eglsee Hauptredner Prof. Dr. Konrad Steiner aus Berndorf bei Salzburg, selbst Landwirt, kompetent und sympathisch vermittelt.  Wie Unternehmen die Landwirte dabei finanziell unterstützen können, erklärte Kurt Herbinger von der FarmFacts GmbH mit Sitz in Pfarrkirchen. Das von FarmFacts entwickelte Patenschafts-Projekt „Initiative Klima-Landwirt“ (IKL) ermöglicht es Kommunen, Wirtschaftsunternehmen und private Sponsoren, gemeinsam mit Landwirten Verantwortung zu übernehmen – und zwar in der Region.

Große Resonanz bei Entscheidungsträgern

Zu der Veranstaltung geladen hatten die „Integrierte Ländliche Entwicklung“ (ILE) an Rott & Inn, eine Kooperation von elf Kommunen im südlichen Landkreis Passau, bereits vertraglich verpflichtete Klima-Landwirte und potentielle Klimapaten, also Unternehmer und Unternehmerinnen aus der Region, sowie Vertreter aus Kommunalpolitik, Behörden und Wissenschaft. Die Resonanz war enorm. Die Pandemie-bedingt begrenzten Plätze waren schnell ausgebucht. Rund 50 aufmerksame Besucher, darunter Landrat Raimund Kneidinger und Bezirksrätin Claudia Wasner-Sommer, ließen sich die IKL-Projektvorstellung und den Impulsvortrag von Prof. Dr. Konrad Steiner nicht entgehen.

Vom Reden ins Tun kommen

Endlich vom Reden ins Tun zu kommen wünschte sich Ruhstorfs Bürgermeister und 1. ILE-Vorsitzender Andreas Jakob. Sein Team im Rathaus Ruhstorf a.d. Rott und ILE-Mangerin Dr. Ursula Diepolder hatten die Veranstaltung organisiert. Ziel der ILE sei es, regionale Unternehmen für die Initiative Klima-Landwirt so zu interessieren, dass sie als Botschafter der Idee nach Außen wirken und sich selbst als Klimapaten engagieren, erklärte Dr. Ursula Diepolder, die auch die Moderation übernahm.  „Was für hochkarätige, verständlich aufbereitete und aufeinander abgestimmte Referate“, würdigte MdL Walter Taubeneder die Veranstaltung.  „Wir sind froh, dass wir gekommen sind“, sagten auch Niko Gottschaller und Beate Quathamer-Gottschaller von der bekannten Biobäckerei Gottschaller aus Malching. „Jetzt wissen wir, dass es in unserer Gegend Gleichgesinnte gibt und können uns mit ihnen verbinden. So steigt die Wahrscheinlichkeit, dass wir etwas bewirken.“ 

Gut für`s Klima – und fürs Marketing

Kurz und klar hatte Kurt Herbinger von der FarmFacts GmbH die „Initiative Klima-Landwirt – Klima-Paten“ (IKL) vorgestellt. Dieses Pilotprojekt, bei dem die ILE als Partner fungiert, ermöglicht es Unternehmen und Kommunen, Landwirte aus ihrer Region (bzw. Bayern) für zusätzliche Klimaschutzmaßnahmen finanziell zu fördern. Dazu zählen zusätzlicher Humusaufbau, damit einhergehende CO2-Bindung im Boden sowie zusätzliche Biodiversitätsmaßnahmen (wie Anlage von Hecken und Blühstreifen, Altholz-Haufe auf ungenutzten Flächen). Das sei nicht nur gut fürs Klima, sondern auch für das Marketing der fördernden Unternehmen, betonte Herbinger. Die Faktoren Nachhaltigkeit, Ökologie, Soziales und gute Unternehmensführung würden rasant an Bedeutung gewinnen. Auf dem Kapitalmarkt zeichne sich diese Entwicklung bereits deutlich ab. „Künftig muss jedes Unternehmen seine eigene Geschichte der Nachhaltigkeit schreiben können. Wo sparst du ein? Wo kompensierst du, was du an Emissionen nicht vermeiden kannst? Diese Fragen muss jedes seröse Unternehmen schwarz auf weiß beantworten können“, erklärte Herbinger.

Kohlendioxid-Emissionen in der Region kompensieren

Die Initiative Klima-Landwirt – Klima-Paten sei ein Weg, wie man konkret etwas tun kann. Die Paten bekommen für ihr finanzielles Engagement eine Urkunde, die bestätigt, dass sie sich für CO2-Kompensation engagieren– und zwar nicht anonym und irgendwo in Afrika oder Südamerika, sondern in der eigenen Region. Die teilnehmenden Landwirte profitieren von gesünderen Böden, dürfen sich Klima-Landwirte nennen und können damit ihr Image verbessern. Der Erfolg ihrer Maßnahmen hinsichtlich Humusaufbau und Artenvielfalt wird über ein Punktesystem gemessen. Mit Satellitenfernerkundung und Apps werde man diese zukunftsweisende Form der Landwirtschaft unterstützen, erläuterte Dr. Wolfgang Angermair von der Firma VISTA.

Für eine Honorierung engagierter Landwirte warb im Dorfstadl Eglsee auch Hauptredner Prof. Dr. Konrad Steiner aus Österreich. Die enormen Zusatzleistungen zum Schutz der Böden könnten von den Landwirten nur mit einem finanziellen Ausgleich erbracht werden, betonte Steiner. Er unterrichtet an der Höheren Bundeslehranstalt für Landwirtschaft (HBLA) Ursprung bei Salzburg und wurde für seine Lehre international zigfach ausgezeichnet. Außerdem betreibt Steiner ein Ingenieurbüro für Biologie, Erdwissenschaften, Kreislaufwirtschaft und Ressourcenmanagement. In seinem alle fesselnden Impuls-Vortrag „Klima- und Artenschutz – Die heimische Landwirtschaft als maßgebliche Stellschraube – Hintergründe, Möglichkeiten, gelebte Praxis“, erläuterte er, warum ein großer Genpool und eine hohe Biodiversität wichtig sind und welche positiven Beiträge Landwirte leisten können.  

Ohne guten Boden keine gute Ernte

Um die vielen Stellschrauben, an denen man drehen kann, zu veranschaulichen, berichtete Steiner von seinen Berater-Tätigkeiten für die Käserei Woerle, die 500 Milchbauern unter Vertrag hat, und für die Stiegl Privatbrauerei in Salzburg. Beide Unternehmen haben sich radikal dazu entschieden, bei der Ressourcen-Einsparung, Artenvielfalt und Bodengesundheit größtmögliche Anstrengungen zu unternehmen. Mit Steiners wissenschaftlicher und praktischer Begleitung wollen sie jedes Jahr noch besser werden. „Ohne gesunden Boden keine gute Braugerste. Ohne gute Braugerste kein gutes Bier – dessen ist sich die Brauerei Stiegl bewusst“, erklärte Steiner. Wie kommt die Brauerei, die eng mit einer Erzeugergemeinschaft von Gerstenbauern zusammen arbeitet, zu diesem klaren Weg?  „Es liegt an der Familienstruktur. Die Inhaber denken in Generationen. Sie müssen so wirtschaften, dass es auch für die nachfolgenden Generationen noch klappt.“ Ein Blick auf die Stiegl-Bräu-Website zeigt: Sie nutzt ihr intensives Engagement für die Umwelt auch für ihre Presse- und Öffentlichkeitsarbeit.

Steiner ist davon überzeugt, dass wir – um den Klimawandel halbwegs überstehen zu können – eine scharfe Reduktion der CO2-Emissionen und die Stabilisierung der Artenvielfalt brauchen. „CO2-Einsparung alleine bringt nichts. Wir müssen CO2 in Böden und in Bäumen binden und damit ,klimapositiv‘ statt nur ‚klimaneutral‘ werden.“


Ziel: gesetzliche Anerkennung für CO2-Zertifikate:
Die Initiative Klima-Landwirt (IKL) ist 2021 in drei Region Deutschlands gestartet: In Kastl (Oberpfalz), im Zollernalbkreis in Baden-Württemberg und in der ILE an Rott & Inn in Niederbayern. Insgesamt sind bislang 23 Klima-Landwirte mit dabei. Zusammen stellen sie über 2000 Hektar ihrer Flächen für gezielten Humusaufbau und Stärkung der Artenvielfalt zur Verfügung. Für Zweidrittel der Flächen konnten bereits Paten akquiriert werden.  Unternehmen können einsteigen ab einem Jahresbeitrag von 1800 Euro (für 20 Hektar).  Der Patenschafts wird für drei Jahre geschlossen, somit ergibt sich eine Summe von 5.400 Euro. Landwirte, die teilnehmen möchten, schließen ebenfalls einen Vertrag für drei Jahre ab und bekommen pro Jahr und Hektar 90 Euro. Der Vertrag sollte mindestens zehn Hektar umfassen. 
Kurt Herbinger und seine Kollegen von der FarmFacts GmbH, einer Tochter der Baywa, kümmern sich um die Verwaltung, Steuerung und Beratung der Landwirte. Und sie arbeiten hartnäckig daran, die Klima- und Artenschutzleitungen gesetzlich anerkennen zu lassen. IKL-Patenschaften sollen künftig wie CO2-Zertifiakte als Kompensierung von Emissionen anerkannt werden. Damit haben sie nicht nur einen ideellen Wert, sondern werden auch wirtschaftlich wirksam. Kontakt: Kurt Herbinger, Mobil 0049/162/2820923;  Mail: kurt.herbinger@nextfarming.de. 

Das sagen die Gäste

Landrat Raimund Kneidinger
„Das Modellprojekt ,Klima-Landwirt – Klima-Paten“ zeigt vorbildlich, wie Klimaschutz als gemeinsames Ziel unterschiedlicher Partner sinnvoll und praxisorientiert umgesetzt werden kann. Für Landwirte ist hochwertiger Boden im wahrsten Sinne des Wortes die Existenzgrundlage und die Paten eröffnet sich die Gelegenheit, konkret etwas für die Artenvielfalt zu tun. Die ILE an Rott & Inn hat damit unter dem Motto ‚aus der Region – für die Region‘ erneut ihr kreatives Potenzial unter Beweis gestellt. Kompliment für diese Initiative.“

Manfred Härtl, Härtl GmbH, Handel für Dämmstoffe in Rotthalmünster, künftiger Klima-Pate:
„CO2-Einsparung und -Kompensation halte ich für sehr wichtig. Mit unseren Dämmpanelen helfen wir, ein Vielfaches an CO2 zu sparen von dem, was ihre Herstellung verbraucht hat. Auch im Geschäft optimieren wir unsere CO2-Bilanz. Ich möchte unsere Emissionen in der Region kompensieren. Die Veranstaltung war profimäßig organisiert, die Vorträge haben mich als Kaufmann und gelernten Landwirt überzeugt. Ich möchte Klima-Pate werden.“


 MdL Walter Taubeneder, Neuhaus a. Inn
„Wir brauchen Leute wie Kurt Herbinger, die die Klimaschutz-Aktivitäten steuern. Für Unternehmer ist eine Klima-Patenschaft erst mal eine Image-Sache, später könnten Zertifikate die Grundlage für messbare Vorteile sein. Ich finde gut, dass die ILE an Rott & Inn das in die Hand nimmt. Wenn die Akteure vor Ort Anreize schaffen, ist das viel besser als gesetzliche Verordnungen und Verbote.“

Cornelia Wasner-Sommer, Gemeinderätin, Bezirksrätin und stellv. Landrätin, Neuhaus a. Inn
„Das Bundesumweltministerium will klimaneutral werden und dies mit dem Kauf von CO2-Zertifikaten aus chinesischen Biogasanlagen erreichen. Ich bin ein Fan davon, Emissionen in der Region zu kompensieren. Ich finde es gut, dass das Projekt Biobauern und konventionellen Landwirten gleichermaßen offensteht und werde prüfen, ob es für meine Landwirtschaft Sinn macht. Gleichzeitig gilt es, die Informationen über die Klima-Patenschaften in Unternehmerkreise zu streuen. Mundpropaganda funktioniert man besten.“

Niko Gottschaller und Beate Quathamer-Gottschaller, Biobäckerei Gottschaller Malching
 „Wir kaufen jedes Jahr 600 Tonnen Biogetreide, was sich auf unsere CO2-Bilanz sehr positiv auswirkt. 80 Prozent des Stroms, den wir verbrauchen, erzeugen wir selbst. Auf unserem Acker sähen wir unter anderem Rotklee zum Humusaufbau. Die Initiative Klima-Landwirt ist für uns relevant. Wenn man etwas aufgebaut hat, ist man verpflichtet, etwas weiterzugeben“.

Sven Grünleitner, Weißbräu Kößlarn, Multiplikator
„Ich werde prüfen, ob ich mit meiner kleinen Weißbier-Brauerei als Pate einsteigen kann. In jedem Fall werde ich in der Bierkulturregion bei großen Brauereien Werbung für die Klima-Patenschaft und die Initiative Klima-Landwirt machen.“

Willi Lindner, 1. Bürgermeister von Kößlarn, 2. Vorsitzender der ILE an Rott & Inn, Klima-Landwirt
„Wir haben für dieses ILE-Vorzeige-Projekt schon viele Landwirte in Wartestellung. Jetzt brauchen wir noch Paten. Meine Bürgermeister-Kollegen und ich wollen als Botschafter dafür werben, dass die Unternehmen in unserer Region Patenschaften übernehmen.“

Dr. Rita Kappert von der österreichischen Großbäckerei resch & frisch, zuständig für die Landwirtschaft und das System Genuss mit Sicherheit (auf dem Foto mit Detlef Walter und Luca Walter, Agrarconsulting, Österreichischer Partner von FarmFacts, sowie mit Mathias Holzer, Obmann der Bezirksbauernkammer Tullner Feld, Biolandwirt).
 „Wir interessieren uns für die Gesundheit des Bodens. Unsere Bäckerei würde die 350 Landwirte unter Vertrag gerne für ihre Klima-Leistungen honorieren. Eventuell wollen wir IKL-Partner werden.“

Alois Egger, Klima-Landwirt aus Amsham bei Bad Griesbach
„Ich habe in der Zeitung von der Initiative Klima-Landwirt gelesen. Wie Humus CO2 speichert interessiert mich schon lang, deshalb meldete ich mich mit meinen 40 Hektar gleich bei Kurt Herbinger an. Als Biobauer arbeite ich ohnehin in diese Richtung.“

Josef Auberger, Geschäftsführer Agrar Raiffeisen GmbH Rotthalmünster, Pate und Multiplikator
„Wir haben vor 20 Jahren nicht alles verkehrt gemacht, sondern wir haben heute andere Erkenntnisse. Landwirte haben noch ein paar Stellschrauben, an denen sie drehen können. Die Digitalisierung kann bei der Steuerung der verschiedenen Maßnahmen nützlich sein. Warten und Jammern ist das schlimmste. Wir müssen raus und mitgestalten. Und keine Sorge: Wir nehmen keine wirtschaftlich relevanten Flächen aus der Produktion heraus.“

Hans Penninger, Klima-Landwirt aus Kirchham
„Nachdem meine Frau und ich diese Veranstaltung mit den informativen Vorträgen besucht haben, bin ich richtig stolz darauf, in diesem Modellprojekt ein Klima-Landwirt der ersten Stunde zu sein.“

Stefan König, Klima-Landwirt aus Rotthalmünster
„Die Idee ermöglicht mir als Landwirt ein zusätzliches Einkommen. Die Voraussetzungen erfülle ich schon jetzt. Man will als Landwirt ja grundsätzlich seinen Boden erhalten. Wir denken in Generationen.“

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