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Mittwoch, Mai 8, 2024

Erlöser ist, wer Erlöse bringt

Lesestoff

„Am Königsweg“ von Literaturnobelpreisträgerin Elfriede Jelinek kündet von der Sehnsucht nach Autokratie. Aktuell am Landestheater Niederbayern

(von Tobias Schmidt)

Am 8. November 2016, dem Tag der letzten US-Präsidentschaftswahl, begann die österreichische Literaturnobelpreisträgerin Elfriede Jelinek mit der Arbeit am Theaterstück „Am Königsweg“. Im Frühjahr 2017 legte sie dann eine Art langen Aufsatz für die Bühne vor. Die sprechenden Personen sind darin kaum erkennbar, das Gesagte ist ein lediglich durch Absätze unterteilter assoziativer Gedankenfluss mit ganz wenigen Rollen- und Regieanweisungen. Dramaturgie, Regie und Ensemble haben also ordentlich zu tun, so ein Werk auf die Bühne zu hieven.

Während die Uraufführung am Deutschen Schauspielhaus Hamburg den Text stark kürzte, dehnte etwa die Hörspielfassung des Bayerischen Rundfunks (beide 2017 realisiert) diesen zur sechsstündigen Sprechmotette mit Soundtrack aus der freien Improvisationsmusik aus. In Nikolaus Habjans St. Pöltener Figurentheaterversion trat die Jelinek höchstselbst gleich mehrfach in Puppengestalt auf. Weniger als die Autorin und eine Person des öffentlichen Lebens, an der sich viele seit Jahrzehnten reiben, sondern als die im Stück vorgesehene, aus dem antiken Drama bekannte blinde Seherin. Die sich an König Lear und der Muppet Show vorbei, von Ödipus, über die Opferung Isaaks im Alten Testament bis zu Martin Heidegger assoziiert. Das sind lange Sätze, und ja sie stehen auch konträr zu den Twitter-Kurzstatements als Mittel gegenwärtiger Politik. Die den Slapstick miteinschließende Fallhöhe ist hier ebenso gewollt. Was wohl an der Figur, des ebenfalls blinden Königs liegt. Sie kann, aber sie muss nicht als Trump-Persiflage gestaltet werden. Dieser von sich selbst geblendete Herrscher, der sich nicht durch eigenes Vermögen, wohl aber mittels eigenem Vermögen aus allerlei Wertanlagen den Weg zur Macht ebnete.

Wertgrößen im moralischen Portfolio?

Das Wahlvolk steckt in der Kreditklemme, darum erhofft es von ihm Befreiung. Denn Erlöser ist, wer Erlöse bringt. Doch wofür steht so einer, der den „Deal“ als Grundlage aller Politik erachtet? Gibt’s da Wertgrößen im moralischen Portfolio? Jelinek beantwortet diese Frage mit einer hier typischen Kettenassoziation: „Falls Sie Ihre Weltanschauung suchen, ich habe sie nicht, habe mir die Welt nicht anschauen können. Wir anderen haben sie aber, darauf können Sie sich verlassen! Sie können sie oder eine ähnliche, welche wir gerade dahaben, jederzeit bekommen. Sie können das Weltanschauliche bekommen. Nein, diese Welt ist ja nicht zum Anschauen! Furchtbar! Nehmen Sie unsere Brille von unserem Markenoptiker. Nicht von dem anderen, der Marken zwar führt, doch sie sind alle abgelaufen, alle Modelle haben sich die die Sohlen bereits abgelaufen, aber was bleibt den ärmeren Schichten übrig, wenn sie auch was sehen wollen, das sie nicht verstehen.“ Der „Königsweg“ ist in diesem Theaterstück der Scheideweg, an dem viele heutige Gesellschaften stehen. Und auf den offensichtlich einige nicht mitgenommen werden sollen. Weil sie es sich nicht leisten können, oder weil sie Widerspruch erheben gegen die Wiederkehr längst überwunden geglaubte Ideologien.

Im Passauer Stadttheater wird die aktuelle Studioproduktion des Landestheaters Niederbayern „Am Königsweg“ in der Regie von Peter Oberdorf nur einmal, am Samstag, 7. März um 19.30 Uhr mit Ksch. Ursula Erb als Seherin, Jochen Decker in der Rolle des Königs, Joachim Vollrath (Ein Anderer) und Friederike Baldin (Eine Andere) sowie Karolina Losing und Madelaine Riha als Cheerleadern zu erleben sein.

Karten gibt es im Vorverkauf an der Theaterkasse (Tel. 0851 92919-13, theaterkasse@passau.de). Onlinereservierung sowie weitere Vorstellungstermine u.a. im Landshuter KOENIGmuseum sind unter www.landestheater-niederbayern.de abrufbar.

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