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Freitag, Mai 3, 2024

Wenn billige Produktion zum teuren Imageschaden führt

Lesestoff

Passauer Ökonomen wollen herausfinden, was international agierende Unternehmen tun können, damit sie nicht zur Zielscheibe von Kampagnen werden

Passau (obx) – Es ist eine Erfahrung, die bereits viele Unternehmen machen mussten: Billig zu produzieren, kann sehr schnell teuer werden. Denn immer öfter machen Organisationen wie Amnesty International, Greenpeace, WWF oder Human Rights Watch aufmerksam auf fragwürdige Arbeitsbedingungen in den Ländern, in denen westliche Hersteller ihre Markenprodukte für kleines Geld fertigen lassen. Die Folge: deutliche Absatzrückgänge und oft bleibende Imageschäden. Wissenschaftler der Universität Passau wollen jetzt untersuchen, wie Unternehmen mit der Gefahr von Protestaktionen entlang ihrer internationalen Wertschöpfungsketten umgehen.

1998 beispielsweise musste der Sportartikel-Hersteller Nike erfahren, wie teuer günstige Herstellung sein kann: Die internationalen Boykott-Aufrufe verschiedener Nichtregierungsorganisationen gegen die Arbeitsbedingungen bei Nikes indonesischen Zulieferbetrieben führten zu großen Einbrüchen. Der Börsenwert sank in Folge der Anti-Sweatshop-Kampagne um ein Fünftel, der Jahresgewinn brach sogar um die Hälfte ein. „Das war einer der ersten Fälle, in denen ein großer Konzern mit der Strategie scheiterte, Verantwortung für die Handlungen unabhängiger Zulieferer in seiner internationalen Wertschöpfungskette pauschal von sich zu weisen“, sagt Professor Dr. Sebastian Krautheim, Inhaber des Lehrstuhls für International Economics an der Universität Passau. Er weiß: „Dieses Risiko tragen multinationale Konzerne, wenn sie ihre Produktion in Länder mit geringer staatlicher Regulierung verlagern.“

Gemeinsam mit seinem Team entwickelt Professor Krautheim theoretische Modelle, die neben Handelsströmen auch die Aktionen international tätiger Nichtregierungsorganisationen, so genannter NGOs, abbilden können. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft fördert das Projekt mit dem Namen „Die globale Produktion und ihre Aufpasser: Firmen und NGOs im regulatorischen Vakuum“ über einen Zeitraum von drei Jahren. 
Die Vorhersagen der Modelle will das Team mit Hilfe neuester Daten zu internationaler NGO-Aktivität testen. Beteiligt am Projekt ist auch ein Team der Paris School of Economics, das auf eine Datenbank eines Beratungsunternehmens zugreifen kann, die NGO-Aktivitäten analysiert und Unternehmen zum Risiko von Kampagnen berät. Aktuell umfasst die Datenbank Kampagnen gegen rund 13.000 Unternehmen in mehr als 180 Ländern. 

Anhand dieses Datensatzes untersuchen die Passauer Wissenschaftler, wie Firmen ihre internationale Produktion organisieren, wenn sie durch Flucht vor Regulierung zwar Kosten sparen, aber Ziel von NGO-Kampagnen werden könnten. Herausfinden wollen die niederbayerischen Forscher auch, in welchen Ländern NGO-Aktionen gegen Entscheidungen von international tätigen Firmen stattfinden und ob sich daraus geographische Muster ableiten lassen. „In Vorarbeiten konnten wir zeigen, dass diejenigen Variablen, die die internationalen Ströme von Gütern und Dienstleistungen beeinflussen, auch die geographischen Muster der NGO-Kampagnen bestimmen“, sagt Professor Krautheim. „Ausgangspunkt unserer Analyse ist die Hypothese, dass Firmen durch die Internationalisierung ihrer Wertschöpfungsketten auch eine Internationalisierung von NGO-Aktivitäten induzieren. Wie das passiert und welche Konsequenzen das für Handelsströme und internationale Wertschöpfungsketten hat, wollen wir besser verstehen.“ 

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