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Freitag, Mai 3, 2024

Landratswahl in Deggendorf

Lesestoff

Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB) Deggendorf befragt die Landratskandidaten

Landkreis Deggendorf. Am Sonntag (15.05.) wird ein neuer Landrat oder Landrätin gewählt. Dass die Wahl überhaupt nötig ist, hat mit der Landespolitik bzw. der CSU zu tun. Denn im Februar 2022 hat Ministerpräsident Söder Landrat Christian Bernreiter nach München geholt – als Bauminister. Diese Personalie zielt vor allem auf den bevorstehenden CSU-Landtagswahlkampf 2023 ab. Denn nicht nur für Söder verkörpert Bernreiter vieles, was im ländlichen Raum verloren zu gehen scheint: Bodenständigkeit, wissen um die Sorgen, die Nähe zu den Leuten.

Neuer Landrat soll ausgerechnet Bernd Sibler werden, Ex-Wissenschaftsminister, der auch wegen Christian Bernreiter aus dem Kabinett verbannt wurde.

Sibler entgegenstellen werden sich am Sonntag Stefan Achatz (Freie Wähler), Thomas Müller (SPD), Maren Lex (Grüne) und Katrin Ebner-Steiner (AfD).

DGB Deggendorf fragt – Kandidaten antworten

„Ob ÖPNV, bezahlbarer Wohnraum, Arbeitsbedingungen in den Krankenhäusern – all diese Dinge beschäftigten unserer Kolleginnen und Kollegen. Vor diesem Hintergrund haben wir die Landratskandidaten der demokratischen Parteien schriftlich befragt,“ erläutert der Deggendorfer DGB-Vorsitzende Simon Stoiber.

Sowohl die Fragen als auch die Antworten von Stefan Achatz, Maren Lex, Thomas Müller und Bernd Sibler sind auf der Homepage des DGB Niederbayern unter https://niederbayern.dgb.de einsehbar (Anmerkung der Redaktion: und ganz am Ende dieses Artikels ersichtlich). Ein für den DGB wichtiges Thema war in den vergangenen Jahren beispielsweise der Erhalt des personenbediensteten Verkaufs an den niederbayerischen Bahnhöfen. Alle vier Kandidierenden sprechen sich dafür aus, dieses Vorhaben weiterhin zu unterstützen.

Werden Sie sich für den Erhalt des personenbediensteten Verkaufs in den Bahnhöfen einsetzen?

Stefan Achatz: Hier sehe ich einen Schritt in die falsche Richtung. Deshalb werde ich mich für den Erhalt aussprechen und mich im Rahmen meiner Möglichkeiten einsetzen. Die Einflussmöglichkeiten sind aber hier relativ gering.

Thomas Müller: Als ehemaliger DGB Kreisvorsitzender habe ich aktiv gegen die Personaleinsparung durch die Bayrische Eisenbahngesellschaft (BEG) gekämpft. Ich werde daher auch als Landrat diesen Rückbau der Serviceleistungen nicht hinnehmen und die EVG in ihrem Kampf für den Erhalt unterstützen. Ich möchte einen ÖPNV in einem Umfeld präsentieren können, bei dem unsere Bürgerinnen und Bürgern gerne vom Individualverkehr auf den ÖPNV umsteigen. Dazu gehört auch ein Grundmaß an Service in der Fläche. Außerdem halte ich es für nicht nach vollziehbar warum die betroffenen Städte und Landkreise in solche Planungen nicht von Anfang an eingebunden sind. Diese Forderung würde ich an die BEG herantragen.

Maren Lex: Selbstverständlich. Der Servicegedanke muss hier oberste Priorität haben und jede*r – ob jung oder alt, mit oder ohne Handicap – muss den bestmöglichen Service erhalten.

Bernd Sibler: Hier stehe ich seit Monaten in Kontakt mit Klaus Zecher von der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG), der sich gemeinsam mit den Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern der betroffenen Städte für den personenbedienten Verkauf und Service in unseren Bahnhöfen einsetzt. Letztes Jahr habe ich mich an die damalige Verkehrsministerin Kerstin Schreyer gewandt, mit dem Ergebnis, dass der Start der sukzessiven Einführung der Videoreiszentren auf der Bahnstrecke München-Passau zumindest auf 2024 verschoben wurde. An den Bayerischen Landtag wurde zudem eine Petition eingereicht. Der Landtag forderte im Anschluss die Staatsregierung auf, sich beim Bund dafür einzusetzen, dass die DB gemeinsam mit allen Beteiligten ein Belebungs- und Aktvierungskonzept für bayerische Bahnhöfe erarbeitet. Ich hoffe auch auf die Unterstützung des neuen Verkehrsministers Christian Bernreiter, der sich als Landrat für den Erhalt des personenbedienten Verkaufs eingesetzt hat. Hier werde ich weiter für den Erhalt kämpfen.

„Wir bedanken uns für die Bereitschaft bei allen dafür, dass sie unsere Fragen ernsthaft beantwortet haben. Auch wenn viele entscheidende Grundlagen für die Lebensqualität von den Beschäftigten auf bundes- oder landespolitischer Ebene getroffen werden, dürfen wir die Gestaltungsmöglichkeiten vor Ort nicht außer Betracht lassen. Demokratie ist da, wo wir leben und arbeiten. Ich hoffe, dass viele Bürgerinnen und Bürger zur Wahl gehen,“ so Simon Stoiber abschließend.


Alle Fragen und Antworten auf einen Blick

Welche Möglichkeiten sehen Sie, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen?

Bernd Sibler: Wohnen ist eine wichtige soziale Frage für die Menschen. Für den Wohnungsbau sind federführend die Kommunen zuständig, das Landratsamt berät und unterstützt. Dies will ich weiter ausbauen und eventuelle Hürden abbauen. Das Bauen von mehr Wohnraum ist der entscheidende Schlüssel. So errichtet die Stadtbau GmbH in Deggendorf z.B. im Moment 66 Wohneinheiten, von denen 60 sozialgebunden sein werden. Weitere Projekte sind in Planung. Und auch in Plattling wird die Innenstadt gerade mit großen Wohnbauprojekten nachverdichtet. Der Grundsatz Innen statt Außen hilft beim Thema Flächensparen.

Der Freistaat Bayern unterstützt zudem mit dem Instrument der Wohnraumförderung, seit Jahren investiert er auf n hohem Niveau. Als Landtagsabgeordneter und Staatsminister habe ich diese wichtigen Investitionen unterstützt. Als damals zuständiger Wissenschaftsminister habe ich die Schaffung von Wohnraum für Studierende intensiv gefördert, auch in Deggendorf ist öffentlich geförderter neuer Wohnraum für sie entstanden. Für die Wohnraumförderung standen allein 2021 Mittel in Höhe von fast 850 Millionen Euro zur Verfügung. Diese Fördermöglichkeiten gilt es, intensiv zu nutzen, zu beraten und zu informieren, um weiteren Wohnraum in der Region zu schaffen.

Stefan Achatz: Hier sind insbesondere die Kommunen bzw. vorhandene kommunale Unternehmen gefordert. Entsprechende Förderinstrumente gibt es und werden auch umgesetzt. Sieht man die Nachfrage, muss man hier verstärkt tätig sein.

Thomas Müller: Bezahlbares wohnen muss auch in Zukunft im Landkreis möglich sein. Bebauungsmöglichkeiten, die bisher nicht in Betracht gezogen wurden wie z.B. Überbauung von Einkaufsmeilen oder die Genehmigung von Aufstockungen auch im ländlichen Raum, können hier Ansätze sein.  Der Landkreis muss künftig seine Möglichkeiten im vollen Umfang ausschöpfen. Auch eine verstärkte Zusammenarbeit mit Wohnungsgenossenschaften muss in Betracht gezogen werden. Wohnraumschaffung muss sich am Bedarf orientieren – und nicht an den Renditeaussichten.

Maren Lex: Da der Landkreis über keine kreiseigene Wohnungsbaugesellschaft verfügt (dies war früher einmal möglich, momentan nicht mehr), obliegt es den Kommunen in ihrer Planungshoheit entsprechende Maßnahmen zu treffen. Die Stadt Deggendorf z.B. kann den Wohnraummangel im bezahlbaren Segment vor allem durch die Stadtbau GmbH vorantreiben. Aber auch die anderen Kommunen haben die Möglichkeit durch Satzungen oder direkt in den Bebauungsplänen einen guten Anteil an echten Sozialwohnungen festzusetzen. Hier bleibt der Landrätin beratende Tätigkeit, die ich aber als dringend notwendig erachte.

Falls in Zukunft wieder die Möglichkeit für die Gründung kreiseigener Wohnungsbaugesellschaften besteht (Initiativen dazu gibt es bereits), muss dies angedacht werden. Hier sollte allerdings der Schwerpunkt auf Sanierung von Gebäuden oder auf das System cradle-to-cradle (Wiederverwendbare, umnutzbare Modulbauweise) gesetzt werden.

Darüber hinaus können Kommunen per Satzung die Solidarische Bodennutzung (SoBon) einführen und damit Großinvestoren an den Gemeinkosten beteiligen. (Deggendorf, Plattling, Osterhofen, Metten…). Ebenso sollten kommunale Flächen nur noch über Erbpacht vergeben werden, um Grundstückspekulationen zu verringern.

Auch hier wieder hauptsächlich beratende Tätigkeit seitens des Landkreises, allerdings kann über die Stellungnahmen zu den Verfahren auf solidarischen Wohnungsbau und Bodennutzung hingewirkt werden.

Welche Möglichkeiten gibt es die Energieversorgung dezentraler zu gestalten? Wie kann das Landratsamt die Kommunen hierbei unterstützen?

Marein Lex: Besonders aktiv werden müssen wir als erstes bei der Energiewende, dort steckt großes Potential, welches vergleichsweise schnell Wirkung zeigt und umgesetzt werden kann. PV auf möglichst alle Dächer und Windstandorte prüfen und projektieren.  Und zu allererst muss der Landkreis als Vorbild vorangehen und PV-Anlagen auf alle kommunalen Gebäude (Schulen!) des Landkreises installieren.

Zur Reduzierung des Energieverbrauchs sind Gebäudesanierungen, Dämmung und Modernisierung, als riesiges Potential im Bausektor voranzutreiben und zu fördern.

Die Deckung des Wärmebedarfs von Gebäuden sollte, wo effizient möglich, durch Fernwärmenetze (Industrieabwärme) oder durch BHKW mit Hackschnitzel als Abfallprodukt erfolgen, Biogasanlagen mit Abfallvergärung können neben der Stromproduktion auch Gasnetze bedienen, bei Neubauten ist auf Wärmepumpen in Kombination mit PV und Speicherlösung zu setzen, auch Oberflächengeothermie ist zu prüfen.

Insgesamt ist die Stromerzeugung und -verteilung in der Region so dezentral wie möglich zu gestalten, damit wir direkt vor Ort autark werden. Große Anlagen sollen als Bürgerenergieanlagen projektiert werden, so dass viele auch mit kleinen Beteiligungsbeträgen davon profitieren können. Anreize und Unterstützung für Sanierungen und moderne Energietechnik müssen über Förderungen und Informationsveranstaltungen erfolgen.

Dann muss die Struktur im Landratsamt bzgl. Klimaschutz und Energiewende gestärkt werden. Die Stabsstelle Klimaschutz muss maßgeblich erweitert wird, mit bis zu 5 Klimamanager*innen aus verschiedenen Fachdisziplinen (Energie, Verkehr, Wirtschaft, Natur und Umwelt).

Der Stabsstelle beigeordnet werden soll ein beratender Klimabeirat, bestehend aus je einer Vertreterin der politischen Parteien des Kreistags, dazu abgesandte Fachleute aus den Naturschutzverbänden, aus der Land- und Forstwirtschaft, auch von der Hochschule, aus Gewerbe, Wirtschaft und Industrie. Auch die Beteiligung von Arbeitnehmer*innen-Verbänden muss angedacht werden, um das ganze Spektrum unserer Gesellschaft zu berücksichtigen.

Beim Klimaschutz müssen Landratsamt und Gemeinden zusammen arbeiten, da viele Aufgaben hoheitlich auf die Kommunen fallen. Aber neben der vermittelnden Tätigkeit als Landrätin wäre auch ein landkreisweiter „Zweckverband Klima und Energie“ anzudenken, um saubere Strukturen bei der Umsetzung der Energiewende zu schaffen.

Thomas Müller: Die Photovoltaik auf versiegelten Flächen – Gebäuden, Parkplätzen etc. muss forciert werden. Hier sollte geprüft werden ob nicht eine Genehmigung von neuen Großparkplätzen nur noch unter diesen Gesichtspunkten stattfindet. Eine Ausrichtung von Gebäuden in Südrichtung bei neuen Baugebieten und Neubauten muss ebenso als Standard angestrebt werden. Und sämtliche öffentliche Gebäude müssen unter die Lupe genommen werden ob diese nicht mit Photovoltaik ausgestattet werden können.

Eine erneute Betrachtung des Windatlas für die Aufstellung von Windrädern im Landkreis – auch in Hinblick auf die endlich bröckelnde H10 Regelung – ist erforderlich.
Durch die Schaffung von Klimamanager auf Landkreisebene, soll die Beratung der Gemeinden verbessert werden und Ansprechpartner für komplexe Themen zur Verfügung stehen.

Stefan Achatz: Wind, Sonne und Wasser sind unsere Energieversorgung der Zukunft. Der Bau von Windrädern, PV-Anlagen auf Dach und wo geeignet als Freiflächen-PV sowie die Optimierung der Wasserkraft kann auch und insbesondere im Landkreis Deggendorf umgesetzt werden. Dezentral heißt auch Wertschöpfung vor Ort. Insbesondere die Bürgerinnen und Bürger können und sollen sich hier auch beteiligen. Das Landratsamt kann beraten, aber auch aktiv unterstützen und aus meiner Sicht sich auch finanziell beteiligen. Ich setze auf Bürgergenossenschaften sowie gemeinsame Kommunalunternehmen, die 100%ig in der kommunalen Hand sind.

Bernd Sibler: Der Landkreis war und ist hier schon sehr aktiv. Bei allen eigenen Neubauten und erforderlichen Sanierungen im Altbestand wird stets die Möglichkeit der Nutzung von erneuerbaren Energien für die Beheizung der Gebäude geprüft und umgesetzt. So wird die Realschule Schöllnach z.B. mit einer Hackschnitzelheizung versorgt, das Sonderpädagogische Förderzentrum Osterhofen mit einer Luft-Wasser-Wärme-Pumpe oder die Fachakademie für Sozialpädagogik und Berufsfachschule für Musik in Plattling mit einer Biomasseheizung. Bei den aktuellen Neubaumaßnahmen Realschule Osterhofen und Wirtschaftsschule/Berufsschule II am Schulzentrum Deggendorf ist die Installation von Photovoltaikanlagen geplant. Photovoltaik muss auch für weitere landkreiseigene Gebäude genutzt werden. Beim Thema Windenergie ergeben sich durch die Änderungen der letzten Tage weitere Möglichkeiten. Auch Hackschnitzel und Pellets als in unserer Heimat verfügbare Energieträger will ich fördern.

Der Landkreis wird den Kommunen bei Projekten beratend zur Seite stehen. Dort, wo es möglich und wirtschaftlich vertretbar ist, bin ich offen für mehr eigenständige Energieversorgung und neue Ideen. In den Kommunen (z.B. in Wallering, Grafling oder Auerbach) entstehen bereits weitere dezentrale Energieversorgungen. Energieberatung beziehungsweise Klimamanagement soll ausgebaut werden. Gegebenenfalls lässt sich auch vorhandenes fachliches Know-How bündeln und mit externen Experten wie etwa C.A.R.M.E.N. e.V. in Straubing zusammenarbeiten.

Welche Vorstellungen haben Sie für den ÖPNV?

Bernd Sibler: Ein attraktiver ÖPNV, der auch genutzt wird, ist für viele Menschen wichtig. Der Landkreis stellt sich dieser Herausforderung mit großem Engagement: 2018 wurde beschlossen, einen Rufbus einzuführen. Dafür werden jährlich 250.000 Euro aufgebracht. Hier wurde das Angebot„to door“ beschlossen. Darauf resultiert ein annähernder Stundentakt in ca. 70 % im gesamten Landkreisgebiet. Ebenso wurden zusätzliche Begünstigungen und Anreize geschaffen wie die Einführung einer Seniorenkarte, kostenlose Seniorentickets, ein Netzticket für Schülermonatskarten, ein Umweltpendlerticket und ein Landkreisjahresticket. 2020 wurde beschlossen, einen Bayernwald-Tarif im Verkehrsverbund Donau-Wald (VDW) einzuführen, um den ÖPNV und landkreisübergreifende Verbindungen zu stärken. In der Länderbahn ist die kostenlose Fahrradmitnahme vor kurzem beschlossen worden. Auch eine personelle Aufstockung ist erfolgt. Die Ausgaben für die Steigerung der Attraktivität des Angebots sind groß und trotz diesen Engagements bleibt die Nachfrage eher gering. Das Auto ist bei uns nach wie vor sehr wichtig. Der ÖPNV muss deshalb mit klugen Konzepten weiterentwickelt werden. Es wird noch mehr in Richtung individueller Angebote, wie etwa Anrufsysteme, gehen müssen. Darüber hinaus müssen wir nach Vorliegen der Grundlagenstudie sehen, wie wir den ÖPNV-Verbund Bayerwald weiterentwickeln können. Die sog. Verbundstudie für den Nahverkehr in Niederbayern steht vor dem Abschluss. Diese dient dann als Basis für weitere notwendige Schritte über den Landkreis hinaus.

Stefan Achatz: Als langfristige Ausrichtung muss der ÖPNV finanziell mit den Ausgaben für den Unterhalt und Ausbau von Kreisstraßen gleichgestellt werden. Dies bedeutet mindestens eine Verdreifachung der Ausgaben in diesem Bereich. Aufgrund der finanziellen Lage und unter Berücksichtigung staatlicher Förderungen können wir in einem ersten Schritt lediglich die Taktung von „Schwerpunkthaltestellen“ im ganzen Landkreis verstärken. Gleichzeitig muss ein niederbayerisches, am besten bayerisches einheitliches Ticket- und Verbundsystem Ziel sein. Dabei gilt: fair und finanziell attraktiv, anders wird man ein Umdenken nicht schaffen.

Thomas Müller: Für eine positive Entwicklung der Region ist auch ein funktionierender öffentlicher Personennahverkehr (ÖPNV) erforderlich. Damit im Landkreis und darüber hinaus der ÖPNV für potentielle Nutzer interessant wird, müssen kurze Taktungen, gute Anschlussmöglichkeiten und ein einfaches, übergeordnetes Verkehrsverbundticket gegeben sein. Als Zwischenlösung muss sich der Landkreis mit weiteren Tarif- und Verkehrsverbünden zusammenschließen. Langfristig sollte eine Verkehrsbund über ganz Bayern entstehen. Ein Ticket für Bus und Bahn

Wir müssen das Rad nicht neu erfinden andere Länder zeigen uns seit Jahren, das es funktionieren kann.

Maren Lex: Wir brauchen einen barrierefreien und verlässlichen Nahverkehr, damit auch Menschen im Rollstuhl und Familien mit Kinderwagen günstig mobil sind. Das alles sollte in ein Gesamtverkehrskonzept mit Bus, Bahn, Car-Sharing und Radwegenetz einfließen.

Dazu muss der ÖPNV merklich ausgebaut werden, ein verlässlicher 1-Stunden-Takt auf allen Hauptstrecken, von 5-24 Uhr, 7 Tage die Woche. Pendlerströme sind zu ermitteln und auf den Hauptstrecken des Berufsverkehrs zusätzliche Pendlerbusse anzubieten. Für die weiteren Bereiche ist ein leistungsfähiges und verlässliches Rufbussystem aufzubauen. Ergänzend dazu sollte auch ein Car- und Bike-Sharing-System (im Verbund mit Kommunen) sowie ein sicheres Radwegenetz, das auch für Schul- und Arbeitsweg taugt, etabliert werden.

Alles sollte über eine App (Wohin-Du-Willst) gut überschaubar und buchbar sein. Und für diese App ist auch entsprechende Werbung zu machen.

Wie können Sie in Ihrem Amt bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf unterstützend tätig werden?

Maren Lex: Für die Beschäftigten des Landkreises muss, wo immer möglich, ein gutes Homeoffice Angebot fortbestehen. Dazu sind möglichst flexible Arbeitszeiten sowie Job-Sharing zu ermöglichen bzw. auszubauen.

Darüber hinaus wäre eine kreiseigene Kita (wie z.B. im Lkr. Wesermarsch) zu prüfen bzw. alternativ für Angestellte des Landkreises Kita-Plätze zu buchen.

Darüber hinaus müssen an Kitas und Schulen flexible Ganztagsangebote bzw. auch Ganztagsschule ausgebaut werden. Hier ist sowohl eine flexible Betreuung in den Morgenstunden als auch bis in die Abendstunden hinein anzudenken. Dies kommt allen Familien im Landkreis zugute.

Thomas Müller: Die Betreuungszeiten von Kindergärten und Kindertagesstätten müssen auf die Bedürfnisse der arbeitenden Eltern angepasste werden. Diese Themen sind im gemeindlichen Bereich angesiedelt.  Als Landrat würde ich dazu mit den Bürgermeistern*innen Rücksprache halten wie hier eine Erweiterung von Zeiten realisiert werden könnte. Als „Arbeitgeber“ im Landratsamt die Möglichkeiten für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf fördern.

Regenkontakt mit der der FAKS in Plattling halten um Erzieherinnen zu überzeugen, damit diese in Kindergärten im Landkreis eine Beschäftigung aufnehmen.

Überprüfen ob Eltern entlastet werden können, wenn die kleineren Kinder betreut mit dem Bus heimgefahren werden. Damit ist der Stress für die Eltern, dass sie pünktlich abgeholt werden müssen, nicht mehr da. Dazu mit Kommunen und der Koordinationsstelle für Ehrenamt Zusammenarbeiten. Evtl. können Senioren als Busbegleitung angefragt werden.

Stefan Achatz: Ein Landrat kann in seinem Verantwortungsbereich nicht nur unterstützend, sondern auch aktiv tätig werden. Im Hinblick auf meine Tätigkeit als erster Bürgermeister habe ich Gleitzeit und Homeoffice-Lösungen ermöglicht. Als Vater weiß ich, wie schwer oftmals die Vereinbarkeit von Familie und Beruf herzustellen ist. Hier muss größtmögliche Hilfeleistung erfolgen, da dies auch zum „Unternehmenserfolg“ beitragen wird.

Bernd Sibler: Das Landratsamt Deggendorf geht selbst mit positivem Beispiel voran und ist seit 2018 Mitglied des Familienpakts Bayern. Die Aufnahme von weiteren Mitgliedern und Unternehmen in den Familienpakt hat das Landratsamt aktiv unterstützt. Ich will an diese Initiative anknüpfen und aktiv neue Unternehmen im Landkreis für den Pakt gewinnen. Auch einen Workshop gemeinsam mit dem Familienpakt Bayern für Unternehmen will ich ins Leben rufen. Zudem hat die Pandemie dafür gesorgt, dass mobiles Arbeiten so stark genutzt wird wie nie zuvor. Viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit Kindern wollen dieses Instrument weiterhin in Anspruch nehmen. Als Arbeitgeber könnte der Landkreis auch hier mit gutem Beispiel vorangehen und passgenaue Lösungen erarbeiten.

Und natürlich sind gute Kinderbetreuungsmöglichkeiten der zentrale Baustein für die Vereinbarkeit zwischen Familie und Beruf. Hier hat sich in den vergangenen Jahren sehr viel getan. Viele Kommunen wollen auch weitere Plätze errichten, hierbei gilt es sie zu unterstützen. Und vor allem muss der Fachkräftemangel beim Personal angegangen werden kann.

Wie werden Sie die angespannte Personalsituation im Klinikum entschärfen? Wie stehen Sie zur Service GmbH?

Bernd Sibler: Der Medizin-Campus Niederbayern, für den ich mich eingesetzt habe, mit einer eigenen Ärzteausbildung in Niederbayern wird für die Nachwuchsgewinnung von jungen Ärztinnen und Ärzten im stationären, wie im ambulanten Bereich wesentlich sein. In Oberfranken, wo das Konzept entstanden ist, stammen schon rund 55 Prozent der Ärzte, die dort ausgebildet werden, aus der Region. Man kann davon ausgehen, dass dieser sog. Klebeeffekt auch in Niederbayern funktionieren wird. Pflegerinnen und Pfleger haben mir in persönlichen Gesprächen von der hohen Belastungssituation berichtet. Mit der Erweiterung auf zwei Kurse an der Pflegeschule wurden die Kapazitäten deutlich aufgestockt. Es geht darüber hinaus um Wertschätzung für diese fordernde Arbeit. Das bezieht sich auf den Lohn, aber auch auf eine gute Gesprächskultur und Wahrnehmung des Geleisteten. Das Thema Service GmbH habe ich mit den Personalvertreterinnen und -vertretern besprochen. Hier müssen bestehende Strukturen geprüft werden.

Stefan Achatz: Nach mehreren Gesprächen mit Mitarbeitern des Klinikums, insb. der DonauIsar Service GmbH, bleibt festzuhalten: Gespräche suchen, Wertschätzung leben, Gleichberechtigung herstellen. Die Bezahlung wurde mir nicht als primäres Problem geschildert, sondern vielmehr fehlende Akzeptanz, Optimierungsbedarf in der Organisation sowie von ausgegliederten Tätigkeiten. Das ist eine der wichtigsten Aufgaben des zukünftigen Landrates.

Thomas Müller: Ich sehen den Erhalt und die Versorgungssicherheit unseres Klinikums als eine der dringendsten Aufgaben an. Aber für mich gehört nicht nur das Gebäude und die Ausstattung dazu, sondern vor allem das Personal. Deshalb keine weiteren Ausgliederungen mehr und soweit rechtlich möglich die bisher ausgeliederten Servicebereiche wieder integrieren. Personalstärken anpassen damit die Work-Live-Balance gegeben ist und junge Leute wieder eine Zukunft im Bereich der Gesundheits- und Krankenpflege erkennen.   

Maren Lex: Grundsätzlich scheint von außen betrachtet eine Verbesserung des Arbeitsklimas und der internen Kommunikation dringend erforderlich, um die Wertschätzung gegenüber allen Mitarbeitenden zu  verbessern. Darum würde einer meiner ersten Gänge als neue Landrätin ins Klinikum führen, um dort mit allen Beteiligten zu sprechen.

Daneben ist zu prüfen, ob die Vereinbarkeit von Beruf und Familie verbessert werden kann, es Möglichkeiten gibt Personalstärken zu erhöhen und den Mitarbeitenden gute Fortbildungsangebote ermöglicht werden.

Zur Mitarbeiteranwerbung durch Mitarbeiter*innen kann ein Prämiensystem zu einer positiven Entwicklung verhelfen.

Die Service GmbH sollte keinesfalls ausgebaut werden, diese Strukturen sind generell kritisch zu sehen, da damit Tarifverträge umgangen werden. Die Service GmbH ist nochmals einer kritischen Prüfung zu unterziehen, eine Rückabwicklung wäre rechtlich zu prüfen. Leider ist das System betriebswirtschaftlich rentabel und äußere Zwänge wie die Einführung der Fallpauschale haben zur Verschärfung des betriebswirtschaftlichen Denkens im Gesundheitswesen geführt. Hier bedarf es dringend eines Systemumbaus, weg von Fallpauschalen, hin zu einer Medizin mit dem Patienten und dessen Genesung im Mittelpunkt.

Sehen Sie angesichts der gestiegenen Inflationverschiedene Möglichkeiten einkommensschwache Familien zu unterstützen?

Maren Lex: Hier wäre eine deutliche MwSt-Senkung auf bestimmte Produkte des täglichen Bedarfs, wie Gemüse, Obst, Babynahrung etc. sinnvoll. Ebenso die Anhebung der Hartz-IV-Sätze. Beides ist jedoch Sache des Bundes.

Vor Ort auf Kreisebene können wir einkommensschwachen Familien kostenlosen ÖPNV anbieten, kostenlose Strom- und Energiesparchecks, kostenlose Kinderfreizeiten, einen Sozialpass mit Ermäßigungen bei Sport, Vereinen und Kultur.

Thomas Müller: Eine vorrübergehende Unterstützung der Tafeln damit die Versorgung von Menschen mit Lebensmitteln aufrechterhalten werden kann. Der Zustrom aufgrund der anhaltender Teuerungsraste wird zunehmen.

Kostenlose Nutzung des ÖPNV im Anschluss an das 9 Euro Ticket vom September bis Dezember 2022 für einkommensschwache Familien.

Prüfen, ob die Kosten für Vereinsbeiträge / Mitgliedschaft in einem Verein für die Kinder übernommen werden können. So werden Familien entlastet, Kinder können weiter im Verein aktiv sein und Vereinen ist geholfen

Nahrungserzeuger vor Ort fördern. Einen kostenlosen Kreisladen für alle „Erzeuger“ gründen indem sie ihre Ware anbieten können. Dadurch faire Preise, aufgrund geringerer Transportkosten, geringeren Fixkosten und Direktvermarktung. Verkauf von saisonaler Ware, ggf. Überschussware der Landwirte. Dadurch Verkauf von günstigen nachhaltigen, ökologischen und regionalen Produkten zu günstigen Preisen.

Stefan Achatz: Hier sehe ich keine Möglichkeit, dies als Landrat zu beeinflussen. Die Bundes- und Landesregierung ist in der Pflicht, entsprechende Entlastungsmaßnahmen zu beschließen. Und dies ist dringend notwendig.

Bernd Sibler: Die Preise steigen praktisch in allen Bereichen des täglichen Bedarfs. Das hat dramatische Folgen für alle Menschen. Besonders wichtig sind hier Grundnahrungsmitteln, hinzu kommen Teuerungen bei den Energiekosten. Aufgrund der hohen Inflation können sich viele Menschen immer weniger leisten. Das können wir nicht zulassen. Die Mehrwertsteuer muss deshalb in bestimmten Bereichen gesenkt werden. Das beschlossene Paket der Ampelregierung kann nur ein erster Schritt zur Entlastung sein. Leider sind wichtige gesellschaftliche Gruppierungen, wie Rentnerinnen und Rentner sowie Studierende außen vor. Darauf werde ich sehr oft angesprochen. Ich hoffe sehr, dass sich die Abgeordneten im Bundestag weiter dafür einsetzen werden, diese Ungleichbehandlungen nachzubessern.

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