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Freitag, April 19, 2024

Für ein „Fünferl“ über den Inn – Vor gut 100 Jahren wurde der „Fünferlsteg“ eröffnet

Lesestoff

“Allgemein hörte man Aussprüche des Lobes über das hübsche Werk, das der Innsteg darstellt“, hieß es am 3. Oktober 1916 in der Donau-Zeitung, einen Tag nach der Freigabe des Hindenburgstegs. Vielen bis heute nur als “Fünferlsteg“ bekannt, hat die berühmte Verbindung zwischen Inn- und Innenstadt eine wechselvolle Geschichte erlebt.

Aufgrund der Wirren des Ersten Weltkriegs wurde bewusst auf Feierlichkeiten zur Eröffnung verzichtet, obwohl damit ein sich über Jahre hinziehender Prozess erfolgreich abgeschlossen werden konnte. Denn schon um die Jahrhundertwende sah man sich mit der Tatsache konfrontiert, dass Fußgängerverbindungen zwischen dem Stadtteil Beiderwies, der heutigen Innstadt, mit den städtischen Friedhöfen und der Innenstadt über die Marienbrücke und die gefährliche und zugleich unrentable „Obere Innseilfähre“ auf Höhe der Eisenbahnbrücke schlicht nicht ausreichend waren. So traf sich im Februar 1908 die so genannte „Freie Bürgervereinigung“ auf Initiative des Apothekers Paul Egger, um über den Bau einer Fußgängerbrücke über den Inn zu diskutieren. Da die Stadtgemeinde die notwendigen finanziellen Mittel nicht aufbringen konnte, entschied man sich, diese über eine Aktiengesellschaft aufzubringen. Schon damals war ein Brückenzoll im Gespräch, über den die Verzinsung für die Aktionäre erwirtschaftet werden sollte. Belastbare Daten für den Bau ließen allerdings ein paar Jahre auf sich warten. Zudem bremste eine horrende Kostenschätzung von 250.000 Mark die Euphorie.

Erst am 10. März 1911 konnte die “Freie Bürgervereinigung“ erneut zusammentreten und auf Basis der nun konkret ermittelten Baukosten sowie einer Rentabilitätsprüfung gemäß der zu erwartenden Nutzungsfrequenz ein Aktienkapital von 170.000 Mark mit einer garantierten Dividende von drei Prozent fixieren. Der städtische Anteil sollte sich auf 50.000 Mark belaufen. So wurde es im Stadtrat am 20. Dezember 1912 beschlossen, die offizielle Gründung der Passauer Innsteg Aktiengesellschaft erfolgte drei Tage später. Passauer Bürger hatten zu diesem Zeitpunkt bereits Anteile im Wert von 130.200 Mark gezeichnet.

Bis zur endgültigen Bauerlaubnis und zum Baubeginn für die 170 Meter lange und 2,50 Meter breite Eisenkonstruktion mit zwei Pfeilern und zwei Widerlagern verstrichen noch mal gut zwei Jahre. Die Kosten waren mittlerweile auf 180.000 Mark angestiegen. Der kriegsbedingte Mangel
an Strom, Material und Personal führte zu weiteren Verzögerungen, so dass erst am 2. Oktober 1915 die Freigabe für den Fußgängerverkehr erfolgte. In den beiden Tagen zuvor konnten die Bürgerinnen und Bürger den Übertritt gegen eine Sondergebühr von 20 Pfennigen schon einmal testen. Die regulären Mauttarife waren folgendermaßen festgelegt: 5 Pfennige für Personen ab vier Jahren, Kinderwagen, Schiebkarren, Radler und Kleinvieh sowie 10 Pfennige für Esel- und Hundefuhrwerke, größere Handkarren und Großvieh. Eine Jahreskarte kostete 10 Mark (für Kinder unter 14 Jahren beziehungsweise Schüler 5 Mark), eine Halbjahreskarte 6 Mark und eine Arbeiterkarte monatlich 50 Pfennige. Zu entrichten waren die Gebühren täglich von fünf bis elf Uhr. Bestimmte Personengruppen wie Krankenhausbedienstete waren grundsätzlich befreit. Bis 1940 nutzten rund 700 Personen täglich den kostenpflichtigen Übergang.

Der Zweite Weltkrieg sollte in der Historie des “Fünferlstegs“ ebenfalls eine Rolle spielen. Verschont von Bombardierungen, waren es am 3. Mai 1945 marodierende SS-Truppen, die im Rahmen befohlener Brückensprengungen auch den Innsteg nicht verschonten. Bereits ein knappes Jahr später beschloss die Aktionärsversammlung den Wiederaufbau. Das Grundkapital wurde von 85.000 Reichsmark – die Inflation von 1924 erforderte die Zusammenlegung des Aktienkapitals von 170.000 Mark auf 85.000 Reichsmark – auf 220.000 Reichsmark erhöht. Die Stadt übernahm ein Drittel der Kosten. Nach einem mühevollen Wiederaufbau, der sogar zwei Todesopfer forderte, konnte der neue “Fünferlsteg“ am 29. August 1947 seiner Bestimmung übergeben werden. „Eigentlich hätten sie doch einen schmetternden Tusch oder ein fröhliches Lied verdient. Das Werk und seine Meister. Schon aus stolzer Freude darüber, was Privatinitiative und freie Wirtschaft vermögen, wenn Energie und Fleiß dahinter stecken“, war entsprechend in der Passauer Neuen Presse am 2. September dieses Jahres zu lesen.

Allerdings geriet die Innsteg-AG in der Folge zunehmend an ihre finanziellen Grenzen. Die Lücke zwischen Einnahmen und Ausgaben klaffte immer weiter auseinander. Ursächlich dafür waren nicht zuletzt reguläre und auch unerwartete Wartungsarbeiten wie etwa im Zuge der Hochwasserkatastrophe von 1954. Schließlich sahen sich die Verantwortlichen gezwungen, zum 1. Januar 1959 der Brückenzoll zu erhöhen: 10 Pfennige für den einmaligen Übertritt, 15 Pfennige für Hin- und Rückweg, 2 Mark für die Monatskarte und 4,50 Mark für die Vierteljahreskarte. “Der Fünferlsteg wird jetzt ein Zehnerlsteg“, berichtete folgerichtig die Passauer Neue Presse am 9. Dezember 1958 über die Hauptversammlung, in der der entsprechende Beschluss gefasst worden war. Eine weitere Anhebung zum 1. Januar 1973 auf 20 Pfennige für die Rückwegkarte und 2,50 Mark für die Monatskarte führte zu Protesten bei den Passanten, manche boykottierten den Innsteg sogar und nahmen den Umweg über die Marienbrücke in Kauf. Die rückläufigen Nutzerzahlen verschärften die wirtschaftliche Lage der Innsteg-AG, so dass der Stadt Passau 1976 die Übernahme des Stegs angeboten wurde. Der Vollzug erfolgte zum 1. Oktober 1976 mit der Konsequenz, dass der Brückenzoll ab sofort entfiel. Die Innsteg-AG löste sich im August 1977 auf.

Der “Fünferlsteg“, wie er nach wie vor von Einheimischen und Gästen genannt wird, ist bis zum heutigen Tag eine beliebte Verbindungsstrecke zwischen Innen- und Innstadt.

(Bild: Hindenburgsteg mit Stadtansicht 1916 – Foto: Stadtarchiv Passau)

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