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Freitag, April 19, 2024

Vermessung des menschlichen Bedeutungsraums

Lesestoff

Der Schriftsteller Michael Krüger und der Passauer Künstler Karl Schleinkofer präsentieren Gemeinschaftswerk „Im Pantheon der Spinnen“ am 28. Oktober 2021 in Passau

(von Tobias Schmidt)

Passau. Im „Pantheon der Spinnen“ heißt der neue Text des als Lyriker und Romancier gleichermaßen bekannten Schriftstellers Michael Krüger. Entstanden ist er in einem abgeschieden gelegenen Holzhaus im Voralpenland, wobei der Leser nicht erfährt, was den früheren Präsidenten der Bayerischen Akademie der Schönen Künste und über Jahrzehnte prägende Lektor und Leiter des Hanser Verlags dazu bewog, diese Form der Einsamkeit zu suchen.

Nun ist das kaum von Belang, denn obschon die elf Textteile eine Selbstverortung sind, gehen sie doch immer von der Naturbeobachtung aus. Krüger setzt ein „sprachliches Vergrößerungsglas“ an, beobachtet Ameisen, Kornblume und Klatschmohn, die Steine im Fluss, „stoische“ Enten, „von der Arbeit zurückkehrende Käfer“ in „tadellosen“, womöglich ja „Aktentaschen verbergenden Panzeranzügen“ und die still beharrlichen Eroberungen dieses auf Zeit geteilten Lebensraums durch Efeu oder Spinnen. Der Text nimmt zunehmend Fahrt auf, bewegt sich weg von der vorsichtig tastenden Naturbeobachtung hin zur Metapher, assoziiert vormals Gesehenes (z.B. Gemälde Claude Lorrains), Gelesenes (z.B. die Lyrik des großen Exilanten Joseph Brodsky) und Erlebtes.

„Im Pantheon der Spinnen“, Cover (Quelle: Sieveking Verlag)

Auch die aus den Nachrichten herüberschallenden volatilen Sphären der Wirtschaft und Politik streift der Autor – während er die Umgebung des Holzhauses durchstreift. Hier vermisst einer den Bedeutungsraum des Menschen, dort wo sich die Natur gegenüber dem Menschen Raum verschafft. Krüger tut das bis zur letzten Blattspitze und Spinnwebe, bis an den Punkt, wo die gewählte Behausung sagt, dass sie „keine Barmherzigkeit brauche“.

Im September veröffentlichte der Münchner Sieveking Verlag „Im Pantheon der Spinnen“. Aufwendig gestaltet mit Illustrationen des Passauer Künstlers Karl Schleinkofer. Jahrzehntelang für seine monochromen Gemälde bekannt (die an der Atelierwand hängende Referenz an Kasimir Malewitsch‘ „Schwarzes Quadrat“ ist also auch selbstreferentiell!), zogen in den letzten Jahren vermehrt Licht und Linie in Schleinkofers Arbeiten. Metamorphe Gespinste scheinen hier das Verwobensein des Autors mit seiner unmittelbaren Umwelt und den großen Zeitläuften gleichermaßen grafisch nachzuempfinden.

Am 28. Oktober um 20 Uhr stellen Michael Krüger und Karl Schleinkofer das gemeinsame Buch in der Heiliggeistkirche in Passau vor. Reservierungen für die vom Café Museum organisierte Lesung sind möglich unter: www.cafe-museuum.de.

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