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Freitag, März 29, 2024

Der Suppenbrunzer vom Herrgottschnitzer

Lesestoff

Als eines der ältesten Handwerksunternehmen zählt der Herrgottschnitzer zu den traditionellen Sehenswürdigkeiten in Bodenmais. In zweiter Generation führt Sebastian von Zülow den Familienbetrieb, der sich ganz der handwerklichen Holzkunst verschrieben hat. Jedes Jahr speziell zu Pfingsten gerät ein ganz bestimmtes Produkt in den Fokus: die Heilig-Geist-Kugel. Dies ist die Geschichte vom „Suppenbrunzer“:

„Ein einfaches Bauernhaus, sagen wir mal vor 100 Jahren, im Frühjahr, der Winter ist vorbei, doch die Wärme hat auch noch nicht wirklich in der Stube Einzug gehalten. Einfach Holz verheizen um die Wohnung warm zu bekommen bedeutete selbst im tiefsten Bayerischen Wald reine Verschwendung. Erst mit dem Kochen der Mittagssuppe heizte sich der Raum langsam auf. Die über dem Esstisch hängende Heilig-Geist-Kugel war also noch kalt als man sich zum Mittagessen versammelte. Nun stieg die feuchtwarme Luft aus der Suppenschüssel auf, das Wasser kondensierte am kühlen Glas und tropfte zurück in die Suppe.“ Der Begriff „Suppenbrunzer“ war geboren.

Während Joachim von Zülow die Geschichte erzählt, wie die Heilig-Geist-Kugel zu ihrer unrühmlichen Bezeichnung gelangt sein muss, arbeiten seine Hände unermüdlich an den hölzernen Bestandteilen eben jenes kirchlichen Kunstgegenstandes. Der Körper der Taube ist bereits fertig und es scheint als ob das Tier nun dabei zusieht, wie aus kleinen Holzstücken in Feinarbeit nun seine Flügel entstehen. Vor über fünfzig Jahren gründete von Zülow sein Unternehmen in Bodenmais, was für ihn, im Nachhinein betrachtet, der Beginn der Sesshaftigkeit war. In Haifa in Isreal geboren, mit dem stetig umherziehenden Vater nach Station in Rom schließlich in Mittenwald gelandet, lernte er dort sein Handwerk, bevor es ihn in den Bayerischen Wald verschlug. Holzbildhauer waren auch in Bodenmais gefragte Leute und so legte er 1962 den Grundstein für sein Familienunternehmen. „Inzwischen hat Sebastian den Betrieb übernommen“, erklärt er und schnitzt weiter an dem feinen Relief in den hölzernen Taubenflügeln.

Sebastian von Zülow arbeitet für gewöhnlich ein Stockwerk höher an der farblichen Gestaltung der Schnitzkunst seines Vaters. Der Meister in Kirchenmalerei und Denkmalpflege „haucht den hölzernen Figuren Leben ein“, wie er es selbst gerne beschreibt, durch Farbe und Blattgold. Unweigerlich hält man die Luft an sobald er beginnt, die hauchdünnen Goldschichten auf das Holz zu kleben. Es sind die goldenen Strahlen, die die weiße Taube später umgeben werden, die er gerade fertigt. Kleinteile zwar, aber hier scheint die Schwierigkeit darin zu liegen, kein Material zu verschwenden. Einige Zeit später funkeln die ersten Holzteile golden und es ist zu erahnen, wie lange wohl die Arbeiten an seinem Meisterstück gedauert haben. Die Herz-Jesu-Figur, eine Kopie der Statue aus der Bodenmaiser Pfarrkirche, steht im Verkaufsraum im Erdgeschoss des Herrgottschnitzers und leuchtet in rot und gold. Unglaublich lebendig wirkt die Figur, als würde sie demnächst vom Sockel steigen und damit endgültig alles hölzerne überwinden.

„Sicherlich ist die kirchliche Kunst unsere Tradition, wie schon der Name verrät“, erklärt Joachim beim Rundgang durch die Ausstellung. „Doch auch die weltlichen Schnitzereien finden hier ausreichend Platz.“ Eine ganze Wand hängt voller hölzernem Gemüse, eine Idee, die von Zülow einst aus Südtirol mit nach Hause brachte. Daneben hängen rohe und bemalte Perchten-Masken, über dem Durchgang zur Werkstatt scheint ein Vogelkundler sein Wissen in Holz verewigt zu haben. „Die Vogel-Schnitzkunst ist quasi in Bodenmais zu Hause“, weiß Joachim von Zülow. Jene profane Schnitzereien gibt es in allen Ausprägungen, Figuren, Tiere, Pflanzen, für Geschenke, zur Dekoration und zahllose andere Gelegenheiten. Eines ist dem Herrgottschnitzer aber noch wichtig: „alles im Geschäft ist echte Handarbeit!“ Eine kleine Info-Tafel erläutert die Unterschiede zwischen den unterschiedlichen Qualitäten der Schnitzkunst, bis hin zu billiger Maschinenarbeit. Gerne würde Joachim ein Siegel für echte Holz-Handwerkskunst einführen, findet dafür jedoch nur wenige Verbündete. Zu verlockend ist das einfache Geschäft mit der günstigen Massenware.

Eines aber ist sicher: die Heilig-Geist-Kugel ließe sich niemals automatisiert herstellen. Sebastian von Zülow hat nach der Bemalung und Vergoldung die Einzelteile innerhalb der Glaskugel zusammengesetzt und damit eine Verbindung für die Ewigkeit geschaffen. Wie bei einem Buddelschiff ist die Öffnung im Glas zu klein, um die Taube samt Strahlen und Flügel einzusetzen oder herauszunehmen. Echte Handarbeit ist damit vonnöten, vom ersten bis zum letzten Arbeitsschritt. Gleiches gilt für die verwendete Glaskugeln, die aus den umliegenden Manufakturen stammen. Die Verbindung von Glas und Holz, sinnbildlicher könnte der Bayerische Wald und das Bodenmaiser Handwerk kaum dargestellt werden. So steht der „Suppenbrunzer“ nicht nur für die kirchliche Tradition mit sehr weltlichem Namen, sondern auch für den Herrgottschnitzer von Bodenmais, jenem Weltbürger, der in Bodenmais eine Heimat für sein Familienunternehmen fand.

Mehr Informationen zum Herrgottschnitzer finden sich unter: www.herrgottschnitzer.de und www.bodenmais.de.

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