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Montag, Oktober 7, 2024

Wahlpflicht?

Lesestoff

In Deutschland gibt es keine Wahlpflicht. Und das ist auch gut so. Deutschland ist ein freies Land; das manifestiert sich nicht zuletzt auch darin, dass es dem einzelnen Stimmberechtigten nicht vorgeschrieben wird, auf dem Wahlzettel ein Kreuzchen zu machen.

Bei der letzten Bundestagswahl im Jahr 2013 lag die Wahlbeteiligung bei 71,5 Prozent. Natürlich, und wenn man es so will, absolut kein Vergleich mit den Wahlbeteiligungen in den 80er Jahren. Doch lassen wir kurz einen Vergleich zu; wie steht es mit unserem Nachbarland Schweiz? An den *Nationalratswahlen im Oktober des vergangenen Jahres haben sich 48,41 Prozent der Stimmberechtigten beteiligt. Das sind etwas weniger als 2011 (48,5 Prozent) und etwas mehr als 2007 (48,3 Prozent). Forscht man in der Geschichte noch weiter zurück, dann lag die Wahlbeteiligung bei Nationalratswahlen in der Schweiz immer bei unter 50 Prozent, und das seit 1979. Da in der Schweiz das Volk nicht nur das Parlament wählen kann, sondern in regelmäßigen Abständen auch Volksabstimmungen durchzuführen hat, lohnt sich auch hier ein kurzer Blick darauf. Die höchste Beteiligungsquote an Wählerinnen und Wähler – seit Einführung des Frauenstimmrechts 1971 – lag bei 78,7 Prozent aus dem Jahr 1992. Damals ging es um den EWR-Beitritt. Eine weitere Stimmbeteiligung von 63,1 Prozent erzielte man im Februar dieses Jahres, als es um die sogenannte „Durchsetzungs-Initiative“ ging (63,1 Prozent). Ansonsten wurden sämtliche Volksabstimmungen fernab einer 70 Prozent-Marke geführt.

Blicken wir noch kurz auf die vergangenen Landtagswahlen. In Bayern (2013) lag die Wahlbeteiligung bei 63,6 Prozent, rund 73 Prozent in Hessen (2013) und die (vorübergehend) tiefste Beteiligung finden wir in Brandenburg (2014 mit 47,9 Prozent.

Im Vergleich zu den *Kantonsratswahlen in der Schweiz: In den vergangenen fünf Jahren lag die Wahlbeteiligung im Durchschnitt bei unter 50 Prozent.

Entgegen zahlreichen anderen Meinungen erachte ich die letzten Wahlbeteiligungen in Deutschland alles andere als niedrig. Was aber nicht schönreden soll, dass auch in Deutschland ‚Wahlmüdigkeit’ vorherrscht – nicht erst seit gestern.  Wie könnte man nun diesem Negativ-Trend entgegenwirken? Indem wir – wieder einmal – den leichteren Weg gehen und eine Wahlpflicht einführen; und wenn schon, denn schon. Wer nicht wählen geht, hat dann noch dafür zu bezahlen – per Bankeinzug. Bei diesem Gedanken sträuben sich meine Nackenhaare. Denn mein Demokratie-Verständnis beinhaltet auch diesen wesentlichen und für mich ganz entscheidenden Punkt: Nicht zu wählen. Das hat nichts mit Wahlverweigerung zu tun, wie es die Wahlpflicht-Befürworter gerne deklarieren. Denn wenn ich zwei, vier oder fünf (fade) Gerichte serviert bekomme, die ich allesamt nicht mag und schlecht verdaue, esse ich keines davon.

Nicht zu wählen heißt übrigens auch nicht, automatisch den extremen Parteien in die Hände zu spielen. Das mag in Zeiten, als Gut und Böse noch tatsächlich auseinandergehalten werden konnten, so gewesen sein – aber heute? Denn wenn uninformierte Wählerinnen und Wähler dazu verdonnert werden, ihre Stimmen abgeben zu müssen, dann könnte ein solches Wahlergebnis genauso verfälscht und weitreichende Konsequenzen haben, wie vorangeführt. Ein Ergebnis, das weder die Meinung der Informierten noch der unwissenden Wähler repräsentiert.

Eine tiefe Wahlbeteiligung lässt im Grunde genommen nur zwei Rückschlüsse zu: Entweder ist es dem Wahlberechtigten völlig Wurst oder aber das zur Wahl gestellte ‚Gericht’ ist verdorben. Den Hebel bei ersterem anzusetzen, scheint auf den ersten Blick nicht realisierbar, dennoch nicht unmöglich. Am Ende läuft es aber immer auf dasselbe hinaus: Die Parteien, Politikerinnen und Politiker haben es in der Hand darüber zu entscheiden, wie die nächste Wahlbeteiligung ausfällt. Ein Gewaltakt, den sie stets leisten müssen. Aber es ist ihre Bürde, ihr Job und ihre Berufung.

(*Nationalratswahlen: Die große Kammer des Parlaments der Schweizerischen Eidgenossenschaft mit 200 Mitgliedern)

(*Kantonsratswahlen: Die gewählten Parlamente/Legislative in den 26 Kantonen)

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