Sehr geehrter Herr Schäuble,
als erstes möchte ich Ihnen – und natürlich uns selbst – herzlich gratulieren; erst vor ein paar Tagen haben Sie einen Haushaltsüberschuss von 12,1 Milliarden Euro bekanntgegeben. Tatsächlich ein historisches Plus. Entgegen ersten Schätzungen viel der Etat-Überschuss sogar doppelt so hoch aus wie erwartet. Gerade in Zeiten wie diesen, Stichwort Flüchtlingskrise, sind solche Einnahmen auch dringend nötig – aber nicht nur. Dieser Überschuss verdanken wir der guten Konjunktur und den hohen Steuereinnahmen. Erlauben Sie mir also, dass ich mir dafür auch selbst ein bisschen auf die Schulter klopfe.
Doch man sollte den Tag tatsächlich nicht vor dem Abend loben. Das kam mir neulich wieder einmal in den Sinn, als ich in unserem Dorf (nahe des Bayerischen Wald) mit dem Auto über ein Schlagloch fuhr und beinahe Roberts Gartenzaun in Mitleidenschaft zog. Aber das ist eine andere Geschichte, und dürfte Sie nicht sonderlich interessieren. Genauso wenig wie die Tatsache, dass in unserer Grundschule seit Jahren schon neue Fenster und Türen notwendig wären, damit die Wärme drinnen bleibt; in den Sommermonaten nicht wirklich ein Problem, aber jetzt, im Winter?
Erlauben Sie mir also doch (noch) die Frage, wohin geht es mit diesem vielen Geld? Nun gut, wir als Freistaat können alles selbst meistern. Das könnten wir, da bin ich mir sicher. Wäre da nicht noch der Finanzausgleich zwischen Bund, Ländern und Kommunen. Seit Jahren höchst umstritten, aber das wissen Sie ja selbst am besten. Bitte verstehen Sie es nicht falsch. So eine Umverteilung zwischen ‚Arm‘ und ‚Reich‘ begrüße ich vom Grundsatz her außerordentlich – das Ziel, eine ‚Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse‘ in unserem Land herzustellen. Aber müssen es denn, wenn wir von unserem geliebten Freistaat sprechen, gleich 57 Prozent des gesamten Ausgleichsvolumens von knapp 9,7 Milliarden Euro sein? Ich war noch nie gut im Rechnen, aber das würde ja bedeuten, dass wir damit mehr als die Hälfte zum Finanzausgleich beitragen. Kein Wunder, wenn in regelmäßigen Abständen in unserem wunderschönen Bayern immer wieder mal die Forderung ans Tageslicht durchbricht, sich vom Rest von Deutschland zu trennen und einen eigenen Staat zu gründen – ein Freistaat im wahrsten Sinne des Wortes.
Als wäre das alles nicht genug, haben Sie vor kurzem sogar noch vorgeschlagen, eine EU-weite Benzinsteuer einzuführen, um die nötigen Finanzen zur Bewältigung der Flüchtlingskrise aufzubringen. Das erinnert mich irgendwie an: Wer schon viel hat, der will in der Regel noch mehr. Dass Sie dafür relativ schnell von Ihren Kolleginnen und Kollegen, von rechts nach links, haufenweise Kritik und Unmut einstecken mussten, versteht sich beinahe schon von selbst. Als persönlicher Berater hätte ich Ihnen das im Vorfeld bereits Schwarz auf Weiß darlegen und prognostizieren können. Vielleicht hätte Ihr Vorstoß – ich frage mich, zu welcher Uhrzeit Sie diesen Einfall hatten – auf mehr Zuspruch hoffen können, wenn damit nicht nur die Bewältigung dieser Flüchtlingskrise gemeint wäre, sondern auch die Armut in unserem Lande; all die vergessenen Seelen, die ohne ihr aktives Zutun in ein finanzielles und abgrundtiefes Loch gefallen sind und von unseren (sozialen) Ämtern gar nicht mehr wahrgenommen werden.
Steuereinnahmen in den letzten Jahren ohne Ende, ein Haushaltsüberschuss von über 12 Milliarden Euro. Und doch schaffen wir (Sie!) es nicht, eine gerechtere Umverteilung hinzubekommen? Unsere eigene und hausgemachte Armut zu bekämpfen und für mehr Fairness unter unseren Gesellschaftsschichten zu sorgen. Die Gelder dort einzusetzen, wo sie auch am dringendsten benötigt werden? Über wie viel zusätzliche finanzielle Mittel verfügt Deutschland wirklich? Wohin genau fließen die Gelder, für wen und für was? Wäre es nicht an der Zeit, einen hohen Anteil dieser Überschüsse zurückfließen zu lassen?
Ein Steuerzahler
(es handelt sich hier um einen fiktiven Brief an den Finanzminister)
Die Kolumne ‚Schwarz auf Weiss‘ ist ein Produkt der ‚Neuen Woche‘.