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Freitag, April 19, 2024

Sammelklage deutscher Touristen in Sachen #Ischglgate nach den Kaprun-Erfahrungen wenig erfolgversprechend

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Der österreichische Verbraucherschutzverein bereitet derzeit eine Sammelklage gegen den österreichischen Staat vor. Es geht um Tausende Touristen vornehmlich aus Deutschland, die sich beim Besuch von Skibars in Ischgl mit dem Coronavirus infizierten und zu Hause viele weitere Menschen angesteckt haben. Doch die Erfolgschancen für eine derartige Sammelklage, die in Österreich anders als in Deutschland zulässig ist, beurteilen Rechtsexperten höchst unterschiedlich.

Auf der Internetseite www.verbraucherschutzverein.at  teilt dessen Obmann Dr. Peter Kolba Skiurlaubern folgendes mit: „Wenn Sie sich in der Zeit ab 5.3.2020 in den Ski-Gebieten Ischgl, Paznauntal, St. Anton am Arlberg, Sölden oder Zillertal aufgehalten haben und kurz darauf feststellen mussten mit dem Corona-Virus infiziert worden zu sein, dann haben Sie – wenn sich Nachlässigkeit durch Berichte oder im Strafverfahren beweisen lassen – Schadenersatzansprüche gegen die Tiroler Behörden und auch gegen die Republik Österreich.“ Daraufhin haben sich mehrere Tausend Betroffene bei dem Verein gemeldet. Aus den Medien wurde zudem bekannt, dass der Verbraucherschutzverein mittlerweile rund ein Dutzend Beamte und Politiker bei der zuständigen Staatsanwaltschaft angezeigt hat.

Doch bis ein etwaiges Strafverfahren eröffnet und vermeintlich Verantwortliche strafrechtlich verurteilt werden, gehen Jahre ins Land. Und ob im Anschluss eine zivilrechtliche Sammelklage Aussicht auf Erfolg hätte, bezweifelt Rechtsanwalt Dr. Arndt Eversberg, Vorstand der ROLAND ProzessFinanz AG. „Die Erfahrungen mit der österreichischen Justiz nach der Kaprun-Tragödie zeigen, dass die Erfolgsaussichten etwaiger Kläger eher gering einzuschätzen sind.“

Am 11. November 2000 starben 155 Menschen zwischen Kaprun und dem Gipfel des Kitzsteinhorn. Plötzlich blieb der Waggon mit dem Namen „Kitzsteingams“ in einem Felsschacht stehen. Aus dem unteren Führerstand des Zuges schlugen Flammen. Binnen weniger Minuten entstand ein mörderischer Großbrand.

Rund vier Jahre später fiel in Salzburg ein Urteil, das als das umstrittenste in der österreichischen Nachkriegsgeschichte gilt: Nach rund zweijähriger Prozessdauer sprach der Salzburger Richter Manfred Seiss sechzehn angeklagte Männer von jeder Verantwortung an der Brandkatastrophe frei. Und die Berufung vor dem Oberlandesgericht Linz scheiterte ebenso wie Bemühungen um eine Wiederaufnahme des Verfahrens. Ebenso misslangen Versuche, die österreichische Justiz über Zivilverfahren in den USA oder den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte auszuhebeln.

 „Der Fall zeigt, dass Amtshaftungsklagen gegen Staaten und ihre Repräsentanten politisch vielfach ungewollt sind. In der jetzigen Situation kommt hinzu, dass die Republik Österreich sehr viel unternimmt, den Coronavirus zu bekämpfen und die wirtschaftlichen Folgen für die Bürger abzumildern. Juristische Einzelaktionen Betroffener sind angesichts der Gesamtsituation unpassend“, ist Eversberg überzeugt. Eversberg ist seit 20 Jahren in der Prozessfinanzierungsbranche tätig und hat tausende Zivilklagen finanziert, aber auch abgelehnt. Erst kürzlich ist die ROLAND-ProzessFinanz AG von der australischen Gesellschaft IMF Bentham übernommen worden und firmiert künftig unter dem Namen Omni Bridgeway, mit zwei Milliarden Euro liquiden Mitteln und über 18 Standorten weltweit der neue Marktführer unter den Prozessfinanzierern.

In der Causa Kaprun fand das Gericht übrigens am Ende in der baden-württembergischen Firma „Fakir“, die Heizlüfter herstellte, doch noch einen Schuldigen. Deren eigentlich für den Betrieb in einem Badezimmer gebaute Heizgeräte waren unter Missachtung der Gebrauchsanweisung und einfachster technischer Grundlagen zerlegt und nachträglich in die Führerkabinen der Gletscherbahn eingebaut worden. Das Gericht meinte, dass das Heizgerät einen Konstruktionsfehler aufgewiesen habe.

Obwohl der deutsche Hersteller der Heizgeräte später von allen Experten, von einer deutschen Staatsanwaltschaft und dem LKA Baden-Württemberg vollständig rehabilitiert wurde, trieb das vorschnelle Urteil des Salzburger Strafgerichts die Firma Fakir, ein deutsches Familienunternehmen mit Weltruhm, in die Insolvenz.

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