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Mittwoch, Mai 1, 2024

Damit das Leben junger Menschen gelingt

Lesestoff

Mit „Systemsprengern“ umgehen – Jugendhilfetag der katholischen Erziehungshilfen in Passau

Passau (can.) Sie können ihr Verhalten nur bedingt steuern. Sie laufen von zuhause weg, werden straffällig, wenden Gewalt gegen sich und andere an, gehen nicht zur Schule, haben Panikattacken oder sind suchtgefährdet. Häusliche Konflikte, Trennungen, prekäre Verhältnisse, Missbrauch oder psychische Erkrankungen in den Familien sind Auslöser dafür.

„Systemsprenger“ werden in der öffentlichen Diskussion solche Kinder und Jugendliche mit besonders herausfordernden Verhaltensweisen genannt. Es ist schwer mit ihnen umzugehen, ihnen zu helfen. Denn sie sprengen vielfach die differenzierten Angebote der Jugendhilfe. Mitarbeitende in Erziehungsberatungsstellen, Berufsbildungszentren und stationären Einrichtungen der Jugendhilfe kommen an ihre Grenzen. Sie müssen passgenaue Angebote finden. Am Mittwoch, 16. Oktober, haben sich die Arbeitsgemeinschaften katholischer Einrichtungen und Dienste der Erziehungshilfen (AGkE) aus den Diözesen Passau und Regensburg in Passau getroffen; dieses Mal im Proli-Kino und damit auch schon an einem besonderen Ort.

Denn der aktuelle Kinofilm „Systemsprenger“ spiegelt beeindruckend wie bedrückend wider, was Mitarbeitende in der Realität erleben. Pflegefamilie, Wohngruppe, Sonderschule: Egal, wo die neunjährige Benni hinkommt, sie fliegt sofort wieder raus. Dabei will Benni nur eines: Liebe, Geborgenheit und wieder bei ihrer Mutter wohnen! Doch die hat Angst vor ihrer unberechenbaren Tochter. Als es keinen Platz mehr für Benni zu geben scheint und keine Lösung mehr in Sicht ist, versucht ein Anti‐Gewalttrainer sie aus der Spirale von Wut und Aggression zu befreien. Ein schwieriges Unterfangen. Absolut herausfordernd der Film, der das brisante Thema vor Augen führte.

Gerade in ähnlichen Situationen muss in katholischen Einrichtungen, so der Passauer Bischof Dr. Stefan Oster (SDB), zum Tragen kommen, „dass jedes Kind ein Recht darauf hat, bedingungslos geliebt und angenommen zu sein“. Solche Liebe sei „umsonst“, geschenkte Zuwendung aus allein einem Grund: weil das Kind da ist. Weil aber Kinder und junge Menschen so gefährdet und verwundbar seien, müssten sie mit Herz und Geduld begleitet werden, selbst wenn der Erfolg von Maßnahmen manchmal so wenig sichtbar sei. Entscheidend sei, so der Jugendbischof, dass das Leben der jungen Menschen gelingt.  

Kinder wie im Kinofilm sind auch eine Anfrage an das System der Hilfen, der Film selbst eine Anklage an die Gesellschaft, betonte der Berliner Salesianerpater Franz-Ulrich Otto beim Jugendhilfetag. Der Direktor einer Don-Bosco-Einrichtung im Bezirk Marzahn‐Hellersdorf mit den Schwerpunkten Jugendsozialarbeit, Jugendberufshilfe und Jugendhilfe betonte die Einmaligkeit und Würde jedes Jugendlichen, die ganzheitliche Unterstützung. Er kennt die Problemlagen in den Familien, weiß, wie es letztlich immer um Liebe, Angenommen-Sein, Vertrauen und Geborgenheit, um dauerhafte Beziehungen geht. Dafür müssten Grundlagen geschaffen und auch die Eltern gestärkt werden. Weil dies eben nur individuell möglich ist, brauche das System Flexibilität bei den Behörden wie Einrichtungen. Die Erziehung von Kindern sei auch eine gesellschaftliche Aufgabe. Deshalb, waren sich die über 70 Teilnehmenden einig, sei eine ausreichende Finanzierung und mehr Personal in Jugendhilfeeinrichtungen nötig.

Pater Otto unterstrich: Not dürfe nicht verwaltet, sondern müsse verwandelt werden. Denn in jedem Kind stecke ein Kern, der für das Gute empfänglich sei. Man handle  richtig, wenn junge Menschen in das Leben, in tragfähige Beziehung, Selbst- und Fremdachtung sowie auch in Arbeit und Ausbildung geführt würden. Ziel sei es, ihnen Horizonte zu eröffnen. Kern solcher Arbeit in den Diensten und Einrichtungen sind seinen Worten nach „Liebe und Kompetenz“.

Der Vorstandsvorsitzende der AGkE im Bistum Passau, Johann Erbertseder, erläuterte, dass „Systemsprenger“ kein Phänomen der Großstädte mehr seien. Die Probleme seien längst im ländlichen Raum angekommen. Die Erziehungshilfen müssten sich nachhaltig darauf einstellen. Astrid Wegerbauer, Caritas-Abteilungsleiterin Jugend- Familien- und Behindertenhilfe bekräftigte „Kinder niemals aufzugeben“, auch bei völlig veränderten Lebenswirklichkeiten. Die Caritas wolle Hilfe passgenau anbieten und das System anpassen, „damit sich etwas bewege“. Die AGkE-Geschäftsführerin Erika Paul von der Caritas sprach von einem differenzierten und vernetzten Angebot hochindividualisierter Hilfen um die „Systemsprenger“ zu stabilisieren und zu fördern. Der Jugendhilfetag der (AGkE) der Diözese Passau und Regensburg mit Robert Gruber (AGkE Geschäftsführer Regensburg) sowie mit Gästen aus der Regierung von Niederbayern, Annette Nettinger, und Mitarbeitenden der Kreisjugendämter Passau und Freyung-Grafenau findet im Wechsel der Bistümer alle zwei Jahre statt.

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