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Freitag, März 29, 2024

Esel, Ziegen und Schafe bei der Naturpark-Landschaftspflege

Lesestoff

Gemeinsam sind wir stark!

Stellen Sie sich einmal vor, Sie würden Ihren Garten sich selbst überlassen. Das Gras würde immer höher werden, die Sträucher in die Fläche wandern und nach einigen Jahren auch der ein oder andere Baum über den Zaun schauen. Kurzum; die Fläche würde zuwachsen, verbrachen und verbuschen. Dasselbe Phänomen ist auf Wiesen zu beobachten, die aus der Nutzung genommen werden. In der Fachsprache wird diese „Wiederbewaldung“ als Sukzession bezeichnet. Natürlich sollte die Kulturlandschaft keinesfalls als Garten verstanden werden, allerdings unterliegt auch sie bei einer Nutzungsaufgabe der Sukzession.

Der Grund dafür ist einfach, erklärt Matthias Rohrbacher, Projektbetreuer Landschaftspflege beim Naturpark Bayerischer Wald: „Wiesen und zum Beispiel auch Hecken, Lesesteinriegel oder Raine sind Landschaftsstrukturen, die der Mensch durch seine landwirtschaftliche Nutzung erst geschaffen hat. Ohne uns Menschen würden die Flächen hier im Bayerischen Wald sich wieder zurück Richtung Wald entwickeln.“ Weiter erklärt er die hohe Bedeutung der offenen Kulturlandschaft für das heimatliche Landschaftsbild und den Naturschutz. Pfleglich bewirtschaftete Wiesen sind in unserem heutigen, durch den Menschen geprägten, Europa ein richtiger Artenhotspot. Gerade im Hinblick auf das massive Artensterben gilt es, solche Flächen zu erhalten und auch wieder zu schaffen. Hier setzt die Landschaftspflege des Naturparks Bayerischer Wald an, bei der gemeinsam mit örtlichen Landiwrten solche, für die Pflanzen- und Tierwelt, wichtigen Offenlandflächen gepflegt werden.

Oft handelt es sich bei Landschaftspflegeflächen um schwer zu bewirtschaftenden und finanziell nicht rentablen Flächen. Darunter fallen beispielsweise auch die Moor- und Feuchtwiesen in und um das Naturschutzgebiet Todtenau. Das Naturschutzgebiet liegt überwiegend im Landkreis Regen, nur ein kleiner Teil im Landkreis Deggendorf. Einige dieser Flächen lassen sich maschinell nicht bewirtschaften. In einem solchen Fall kommen nun, ganz nach dem Motto „Pflegen lassen“, Esel, Ziegen und Schafe ins Spiel. Allerdings ist diese Art der Landschaftspflege alles andere als einfach. „Jede Pflegefläche wird mit mobilen Zäunen wolfsabwehrend eingezäunt, täglich werden Tiere und Zäune kontrolliert, die Tiere mehrmals jährlich auf andere Flächen transportiert“, erklärt der geprüfte Landschaftspfleger (GNL) und Landwirt Ludwig Scherm, der gemeinsam mit Eva Weiß die Landschaftspflege in diesem Gebiet durchführt. „Gerade für einen reibungslosen Wechsel der Flächen, legen wir viel Wert darauf, dass unsere Tiere zutraulich sind, zu uns kommen und uns folgen“, betont seine Kollegin Eva Weiß, die beim Betreten der Weide sofort von den tierischen Landschaftspflegern begrüßt wird. Aber Achtung, bevor Sie jetzt auf die Idee kommen, tierische Rasenmäher in Ihrem eigenen Garten einzusetzen; Ziersträucher, Gemüse und Blumen sind vor ihnen nicht sicher!

Kontrolle der Pflegeflächen vor Ort (v.l.): Matthias Rohrbacher (Naturpark Bayerischer Wald), Eva Weiß und Ludwig Scherm (Foto: Naturpark Bayerischer Wald e.V. / L. Stier)

Die Landschaftspflege mit Tieren gehört gut durchdacht und organisiert. Denn nicht jede Fläche eignet sich automatisch für die Beweidung, beziehungsweise der Zeitpunkt der Beweidung ist wichtig. Anhand des Wiesenknopf-Ameisenbläulings, einer seltenen und besonderen Schmetterlingsart, lässt sich das gut nachvollziehen. Die Schmetterlinge legen ihre Eier nur auf die Blüte des Großen-Wiesenknopfs. Werden die Blüten während der Entwicklung der Raupen gefressen, gibt es keine neue Generation des Schmetterlings mehr. Hier muss nun darauf geachtet werden, dass entweder vor oder nach der Entwicklungszeit der Raupen, beweidet wird. Gedanken über solche Szenarien macht sich das Landschaftspflegeteam vom Naturpark Bayerischer Wald, das für die Initiierung und Organisation der Landschaftspflege zuständig ist. Nach Beratung und Abstimmung mit der Unteren Naturschutzbehörde am Landratsamt, werden die Maßnahmen geplant. Die Fördergelder werden über die Naturpark- und Landschaftspflegerichtlinie von der Regierung von Niederbayern genehmigt.

Kürzlich haben sich bei einem konstruktiven Treffen alle Beteiligten auf den Pflegeflächen bei Kirchberg getroffen, um die bisherige Entwicklung und das weitere Vorgehen zu besprechen. Mit dabei waren die beiden Fachreferentinnen Rosemarie Wagenstaller und Monika Knauf-Weiß und Ludwig Scherm, der Botaniker Wolfgang Diewald und Matthias Rohrbacher und Heinrich Schmidt vom Naturpark Bayerischer Wald. Gerade das Zusammenkommen von Experten aus verschiedenen Bereichen ist sinnvoll. So sind beispielsweise die Einschätzungen und Anmerkungen des Botanikers Wolfgang Diewald, der die Flora der Flächen bestens kennt, wichtig für die weiteren Pflegemaßnahmen.

Treffen auf Landschaftspflegeflächen in und um das Naturschutzgebiet Todtenau (v.l.): Ludwig Scherm, Monika Knauf-Schöllhorn, Matthias Rohrbacher, Heinrich Schmidt, Rosemarie Wagenstaller und Wolfgang Diewald (Foto: Naturpark Bayerischer Wald e.V. / L. Stier)

Einig waren sich alle darüber, dass die Kombination von verschiedenen Tierarten auf den hiesigen Pflegeflächen ein echtes Erfolgskonzept ist. Entscheidend dafür ist das unterschiedliche Fraßverhalten, während zum Beispiel ein Schaf nicht einmal am Schilf knabbert, fressen die Esel es fast vollständig ab. Genau das macht die Kombination der Tiere aus, und das Ergebnis ist bemerkenswert. Gemeinsam haben in den letzten Jahren alle menschlichen und auch tierischen Beteiligten wertvolle Lebensräume für Flora und Fauna geschaffen. Über diese produktive Zusammenarbeit aller Beteiligten freut sich besonders der Erste Naturparkvorsitzende Heinrich Schmidt: „Wir wollen die Landschaftspflege im Naturpark gemeinsam weiterentwickeln und auch neue Flächen pflegen. Interessierte Grundstückseigentümer können sich gerne dazu unverbindlich beraten lassen.“

Kontakt unter Telefon 09922 80 24 80 oder info@naturpark-bayer-wald.de.

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