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Freitag, März 29, 2024

Dramatischer Appell an die Politik: Deutschlands Reha- und Vorsorgekliniken in höchster Not

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Vielen der rund 1.100 deutschen Reha- und Vorsorgeeinrichtungen könnte das wirtschaftliche Aus drohen, weil die Politik ihnen Ende Juni die letzten verbliebenen Corona-Hilfen streichen will

Regensburg. Deutschlands Reha- und Vorsorgekliniken fühlen sich von der Politik im Stich gelassen. Vertreter der Branche befürchten, dass viele der Einrichtungen, die Patienten nach einer Operation wieder fit für den Beruf und den Alltag machen, in ihrer Existenz gefährdet sein könnten: „Infolge der Corona-Pandemie und durch massive Kostensteigerungen droht vielen deutschen Reha- und Vorsorgeeinrichtungen das wirtschaftliche Aus“, heißt es in einem Brandbrief, mit dem Klinikbetreiber aktuell bei Politikern aus den Ländern und aus dem Bund auf die drohende Notlage aufmerksam machen.

Besonders kritisieren die Betreiber dabei, dass die noch bestehenden Corona-Hilfen – Hygienezuschlag und Mindererlösausgleich – Ende Juni auslaufen sollen, obwohl die Kliniken weiter nicht mit voller Kapazität wegen der Umsetzung der Corona-Vorsichts- und Schutzmaßnahmen arbeiten können. „Die Gesundheit von Millionen Menschen ist in Gefahr, wenn Reha- und Vorsorgeleistungen nicht mehr im jetzigen Umfang angeboten werden können“, kritisiert beispielsweise Markus Zwick, der Vorstandsvorsitzende der Johannesbad Gruppe. Das Unternehmen betreibt bundesweit dreizehn Rehaeinrichtungen an elf Standorten. „Die aktuellen Pläne sind eine Gefahr für die Versorgungssicherheit der Menschen in Deutschland“, fürchtet er.

Erste Rehakliniken sind bereits insolvent

Corona und die durch die gesamtwirtschaftliche Entwicklung gestiegenen Kosten hinterlassen bereits heute erste sichtbare Spuren in der deutschen Rehalandschaft: Mehrere Kliniken konnten dem wirtschaftlichen Druck durch die Folgen der Covid-19-Pandemie und dem Kostendruck nicht mehr Stand halten. Sie mussten in den vergangenen Wochen und Monaten Insolvenz anmelden. Dazu gehören unter anderem die angesehene Reha-Klinik Wüsthofen im hessischen Bad Salzschlirf oder auch die Caspar-Heinrich-Klinik im nordrhein-westfälischen Bad Driburg.

Bracheninsider fürchten: Das ist erst der Anfang und weitere Einrichtungen werden folgen, wenn die Politik ihre Pläne in die Tat umsetzt. Demnach werden Reha- und Vorsorgekliniken ab Juli keinen Ausgleich mehr dafür erhalten, dass sie nur mit verminderter Belegung arbeiten dürfen – beispielsweise weil in Gruppenräumen nur viel weniger Reha-Gäste gemeinsam trainieren können als vor 2020. Das bleibt aber auch weiterhin so, um Corona-Sicherheitsabstände zu wahren. Ab Juli wegfallen soll auch die finanzielle Unterstützung, beispielsweise für Masken und Schutzkleidungen, die die Pandemie notwendig macht. Die neue Testverordnung, die ab Juli gelten soll, liegt zudem noch nicht abschließend vor.

Reha spart Kosten in Milliardenhöhe

Beim Bundesgesundheitsministerium trafen die rund 1.100 deutschen Reha- und Vorsorgekliniken mit ihren rund 120.000 Beschäftigten bisher auf taube Ohren. Dabei sind diese ein wichtiger Wirtschaftsfaktor: Ein in Reha investierter Euro spart nach Erhebungen der Deutschen Rentenversicherung fünf Euro für die Gesellschaft. Die Reha hilft demnach Kosten in Milliardenhöhe zu vermeiden, zum Beispiel für Erwerbsminderungsrente, Arbeitslosen- und Krankengeld oder teure Folgekosten. Reha sichert zudem Arbeitsplätze. Die Forscher des Instituts Prognos gehen etwa davon aus, dass solche Maßnahmen jährlich einen volkswirtschaftlichen Nutzen von rund 23 Milliarden Euro bringen.

Dabei wäre es ein Leichtes, die Hilfen auch in den kommenden Monaten weiter zu gewähren: Die Existenzkrise der Reha- und Vorsorgekliniken könnte mit einfachen Mitteln beendet werden, sind die Betreiber überzeugt. Sie fordern vom Bundesgesundheitsminister, die bestehenden Hilfen per Rechtsverordnung zu verlängern und für Reha und Vorsorge einen Inflationsausgleich gesetzlich festzulegen.

„Noch ist es nicht zu spät zum Handeln“

„Die Kostenträger haben die Mittel zu helfen“, sagt Johannesbad-CEO Markus Zwick. Die gesetzliche Krankenversicherung habe in den Jahren 2020 und 2021 für Reha und Vorsorge rund eine Milliarde Euro weniger ausgegeben als im Jahr 2019, die Deutsche Rentenversicherung schätzungsweise rund 500 Millionen Euro weniger. „Dass vor dem Hintergrund dieser massiven Ersparnisse nun nicht an eine Existenzsicherung der Reha- und Vorsorgeeinrichtungen gedacht wird, zeigt eine unglaubliche Fahrlässigkeit“, so Zwick. Er hofft auf ein Einlenken der Rentenversicherung und des Bundesgesundheitsministers in letzter Sekunde: „Noch ist es nicht zu spät zum Handeln“, sagt er.
(obx)

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