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Samstag, April 20, 2024

Dem eklatanten Kita-Fachkräftemangel in Bayern wirksam begegnen

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Bayerischer Träger für Kindertageseinrichtungen e.V. und Deutsche Kitaverband schlagen Alarm – und machen Vorschläge

Bayern. Der Kita-Fachkräftemangel in Bayern hat eine neue Dringlichkeit angenommen. Derzeit fehlen im Freistaat etwa 6.000 Fachkräfte in Vollzeit. Das Bayerische Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales (StMAS) geht derzeit davon aus, dass bis zum Jahr 2025 rund 19.400 Fachkräfte fehlen werden. Die Arbeitskräftelücke könnte laut Bertelsmann Stiftung bis 2030 (Babyboomer gehen in Rente) auf bis zu 45.600 fehlende Fachkräfte anwachsen.

Die Lage hat sich durch Corona und aktuell durch den Zuzug geflüchteter Kinder aus der Ukraine weiter verschärft und die Zeit drängt. Allein in München sind derzeit mindestens 200 Kitas von Gruppenschließungen betroffen. Dort fehlen in den 450 städtischen Kindertageseinrichtungen über 350 pädagogische Fachkräfte – anders ausgedrückt: jede 10. Stelle ist nicht besetzt – und eine Kita schließt.

Die Auswirkungen sind für alle Beteiligten deutlich spürbar: Träger können den Familien nicht ausreichend Kitaplätze zur Verfügung stellen. Die Kita-Teams arbeiten an der Belastungsgrenze. Es drohen Beeinträchtigungen der Kita-Qualität.

Multiprofessionelle Teams

Der Deutsche Kitaverband und der DBTK fordern für die Träger mehr Flexibilität bei der Stellenbesetzung. Kita-Teams müssten vielfältiger werden; beispielsweise verstärkt durch pädagogisch weitergebildete Direkteinsteigerinnen und -einsteigern aus anderen Berufsfeldern (ähnlich wie die Fachkräfte mit besonderer Qualifikation). Das hätte den pädagogischen Vorteil, dass sie die Themenvielfalt der Gesellschaft in die Kitas tragen und den Kindern zusätzliche Wissensgebiete erschließen. Gleichzeitig erweitere es die Möglichkeiten bei der Personalsuche. Vorstellbar wäre, zehn bis zwanzig Prozent der Stellen in einer Kita auf diese Weise zu besetzen – bei Anrechnung auf den Fachkraftschlüssel.

„Zu einem multidisziplinären Team gehören für uns darüber hinaus kaufmännische Kräfte. Heute erledigen Erzieherinnen und Erzieher auch die Verwaltungsaufgaben mit. Davon sollten wir sie entlasten. Verwaltungsangestellte müssen entsprechend vom Land und den Kommunen gefördert und bezuschusst werden.“

Bayerischer Träger für Kindertageseinrichtungen e.V. und Deutsche Kitaverband

Es könne die personelle Ausstattung laut BayKiBig nicht mehr eng auf Fachkräfte begrenzt bleiben, wenn alle bereits geschaffenen Kitaplätze langfristig belegbar bleiben sollen. Es gelte, eine Form der Flexibilität zu finden, die nicht zu einer Beliebigkeit führt, sondern eine möglichst hohe Qualität sichert. Es gäbe mittlerweile Erfahrungen mit einem erweiterten Kreis von Beschäftigten unterschiedlichen beruflichen Hintergrunds, die ihr Spezialistentum einbringen können. Sowohl die Definition der zulässigen Ausbildungsabschlüsse als auch die tariflich eng gestecken Grenzen verhinderten eine generelle Umsetzung im Kitabereich in Bayern. Um bei der aktuellen Situation des Fachkräftemangels die Ausstattung der Kitas zu bewältigen, beötigten die Träger Spielräume für den Einsatz von aus ihrer Sicht geeignetem Personal.

Der seit der Corona-Pandemie erlaubte Einsatz von Nichtfachkräften beispielsweise in Baden-Württemberg führe zu Erkenntnissen im Einsatz dieser Personen, die als „helfende Hände“ zur Unterstützung der Fachkräfte oder zur Begleitung von Inklusionsprozessen eingesetzt wurden. Ein erfreulicher Begleitaspekt wäre hier, dass sich ein hoher Prozentsatz dieser zunächst als Aushilfen gewonnenen Menschen zu einer Ausbildung entschlossen hätten. Wenn die Fortführung der Arbeitsverhältnisse mit den „Ungelernten“ langfristig möglich sein würde, könnte sie ein fester Aspekt für die Gewinnung einer ausreichenden Zahl von Mitarbeitenden in den Kitas werden. Dafür wären entsprechende Qualifizierungsbausteine zu entwickeln.

Personal- und Fachkraftschlüssel

Der Deutsche Kitaverband und der DBTK schlagen darüber hinaus vor, dass der Personalschlüssel generell aufrecht erhalten bleibt, innerhalb dieser Vorgabe aber der Fachkraftanteil reduziert wird. Es stünde sonst akut zu befürchten, dass reihenweise Träger die Öffnungszeiten auf sechs Stunden pro Tag reduzieren werden müssen und bereits gebaute Gruppen nicht eröffnet werden können.

Der Freistaat Bayern sollte dem Beispiel anderer Bundesländer folgen, wo es aktuelle Regelungen aus der Coronazeit erlaubten, den Mindestpersonalschlüssel um 20 Prozent zu unterschreiten. Es würde hier überlegt, dies zu verlängern, um die Kita-Plätze auch im nächsten Kindergartenjahr betreiben zu können.

Ein noch weitreichender Vorschlag wäre, Teile der Öffnungszeiten durch Kräfte anderer Professionen (z.B. Köchinnen und Köche), die schon in der Kita tätig sind, abzudecken. In der Ganztageskita wechselten sich Phasen der Betreuung, Erziehung und Bildung ab. Nichtpädagoginnen und – pädagogen könnten Tagesteile ohne Schwerpunkt „Bildung“ übernehmen.

Akademikerinnen und Akademiker

Gleichzeitig werden mehr Akademikerinnen und Akademiker in der Kindertagesbetreuung gefordert. Bislang könnten sie nicht entsprechend ihrer Qualifikation bezahlt werden, dadurch wandern studierte Kindheitspädagoginnen und -pädagogen in andere Tätigkeitsfelder ab. Das sollte künftig unbedingt verhindert werden.

Ausbildung

Positiv wäre, dass der Modellversuch OptiPrax zum Schuljahr 2021/22 in die Regelform einer Praxisintegrierten Ausbildung (PiA) überführt wurde. Bisher konnten nur Fachschulen OptiPrax/PiA anbieten, die bereits eine klassische Erzieherinnen- und Erzieher-Ausbildung in ihrem Programm haben. Die traditionellen Fachschulen hätten kaum Interesse, ihr Schulangebot zu ändern. Alle interessierten Fachschulanbieter müssten deshalb zugelassen werden, damit der Anteil der PiAs in Bayern schnell steigen kann.

Ausländische Fachkräfte

Ein weiterer Vorschlag des Deutschen Kitaverbands und des DBTK zur Lösung des Fachkräftemangels bezieht sich auf eine schnellere und unbürokratischere Anerkennung von inländischen sowie ausländischen Fachkräften. Dazu sollten die Voraussetzungen bundesweit vereinheitlicht werden.

Fachkräfte, die in einem Bundesland anerkannt sind, müssten in Zukunft ohne Nachprüfung auch in allen anderen Bundesländern anerkannt sein. Eine ähnliche Vereinfachung könnte man sich auch für pädagogische Kräfte vorstellen, die im EU-Ausland eine Berechtigung zur Arbeit als Fachkraft in der Kindertagesbetreuung erwarben. Für Nicht-EU-Abschlüsse wird gefordert: Ein Antrag auf Anerkennung müsste innerhalb von vier Wochen bearbeitet sein.

Angebote wie das BEFAS-Programm (Bildung und Erziehung im Kindesalter) müssten ausgeweitet und alle freien Träger bei der Schaffung weiterer Angebote beteiligt werden. Es handle sich um eine berufsbegleitende Qualifizierungsmöglichkeit zum „staatlich anerkannten Kindheitspädagogen (B.A.) für Personen mit ausländischen, (nicht elementar) pädagogischen Studienabschlüssen. Dabei würden Leistungen aus dem Erststudium im Herkunftsland auf das Studium der Kindheitspädagogik angerechnet, sofern eine inhaltliche Ähnlichkeit zu den Modulinhalten des Studiengangs festgestellt werden kann. Das berufsbegleitende, kindheitspädagogische Studium verkürzte sich dadurch von 8 auf 4 bis 2 Semester. Auch diese Kräfte sollten sofort auf den Fachkraftschlüssel angerechnet werden.

Leitungszeit

Eine gute Kinderbetreuung zeichne sich nicht nur durch die unmittelbare pädagogische Arbeit mit den Kindern aus. Genauso wichtig wäre die konzeptionelle Arbeit von Kita-Träger und -Leitung, Vor- und Nachbereitungszeiten für die Erzieherinnen und Erzieher sowie der professionelle Austausch und Beratung der Fachkräfte. Die Kita-Leitungen bräuchten im Personalschlüssel berücksichtigte Zeitkontingente nicht nur für die pädagogische Arbeit, sondern zusätzlich auch für Leitungsaufgaben wie Personalführung, konzeptionelle Arbeit, Elternarbeit und allgemeine Managementaufgaben. Der Anspruch auf pädagogische Fachberatung für die Kita-Teams müsste in allen Kitagesetzen verankert und mit konkreten Zeitkontingenten definiert werden.

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