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Dienstag, April 23, 2024

Spermidin – ein möglicher Kandidat gegen Coronaviren

Lesestoff

Gegen Coronaviren gibt es bisher weder eine zugelassene Therapie noch einen Impfstoff. Ein möglicher Ansatzpunkt könnte die gezielte Aktivierung der Autophagie sein. Dass die körpereigene Substanz Spermidin den Zellreinigungsprozess verstärkt, ist bereits bekannt. In einer kürzlich abgeschlossenen Studie konnten Wissenschaftler um Dr. Nils Gassen (Uniklinikum Bonn), Prof. Dr. Christian Drosten und PD Dr. Marcel A. Müller (beide Charité Berlin) nun erstmals zeigen, dass Spermidin so auch die Vermehrung des neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2 deutlich hemmen kann. Der Preprint ist abrufbar unter: https://biorxiv.org/cgi/content/short/2020.04.15.997254v1.*

Die Autophagie ist vereinfacht gesagt ein Recycling-Mechanismus, mit dem sich unsere Körperzellen selbst regenerieren. Dies gelingt, indem die Zellen alte und schädliche Bestandteile abbauen – aber auch Krankheitserreger wie bestimmte Viren. In einer Reihe von Experimenten konnte das Forschungsteam der Charité bereits Anfang des Jahres zeigen, dass das MERS-Coronavirus von 2012 den zellulären Prozess der Autophagie drosselt, um sich einfacher vermehren zu können. Dieser Nachweis gelang den Virologen nun auch für das neuartige Coronavirus SARS-CoV-2. Daher rücken für die Bekämpfung Substanzen in den Fokus der Forschung, die den Prozess der Autophagie verstärken. Spermidin ist bislang die einzige natürliche und körpereigene Substanz, für welche dieser Effekt bereits in diversen Studien bewiesen werden konnte.

Spermidin hemmt die Vermehrung von Coronaviren

In der neuen Charité-Studie2 beobachtete das Forschungsteam, dass SARS-CoV-2 den Zellstoffwechsel entscheidend verändert – so auch die in fast jeder Körperzelle stattfindende Spermidinproduktion. Demzufolge waren die Konzentrationen in infizierten Zellkulturen stark reduziert. Die Wissenschaftler der Charité untersuchten nun, wie sich der beeinträchtigte zelluläre Autophagie-Prozess wieder optimieren lässt. Bewertet wurde neben zwei Arzneimitteln, zum einen das Bandwurmmittel Niclosamid, zum anderen MK-2206 zur Behandlung von Brustkrebs, auch natürliches Spermidin. Die drei Substanzen aktivierten die Autophagie und konnten die Vermehrungsrate von SARS-CoV-2 im Laborexperiment (in vitro) um 99 Prozent, 88 Prozent beziehungsweise 85 Prozent senken. Auch bei der Vorbehandlung gesunder Zellen mit Spermidin oder Niclosamid zeigte sich ein positiver Effekt: SARS-CoV-2 konnte sich in den vorbehandelten Zellen deutlich schlechter vermehren, das Viruswachstum war unter beiden Bedingungen um 70 Prozent vermindert. Damit ergibt sich auch eine mögliche präventive Wirkung. Klinisch geprüfte und gut verträgliche Substanzen wie Spermidin, welche die Autophagie aktivieren, sind aufgrund dieser neuen Daten vielversprechende Kandidaten zur Behandlung von Coronaviren. Allerdings steht die Forschung noch am Anfang und weitere Studien müssen folgen. Spermidin aus Weizenkeimextrakt gibt es als Nahrungsergänzungsmittel bereits in Apotheken zu erwerben. Die Einnahme konnte bereits in Humanstudien zur Demenzprävention, die auch an der Charité durchgeführt werden, als sicher und verträglich unter klinischen Bedingungen unter Beweis gestellt werden.

Spermidininduzierte Autophagie schon länger im Fokus der Wissenschaft 

Eine funktionierende Autophagie spielt auch für den Schutz vor altersbedingten Erkrankungen eine wichtige Rolle.3,4 So können sogar zellschädigende Proteinansammlungen, die charakteristisch sind für neurodegenerative Erkrankungen wie Morbus Alzheimer, entfernt werden.3 Mit dem Alter lässt die Aktivität der Autophagie, ebenso wie die körpereigene Produktion von Spermidin jedoch nach. Daher untersuchen Wissenschaftler, ob eine Spermidinsupplementation dem entgegenwirken kann. Erste vielversprechende Ergebnisse einer spermidininduzierten Autophagie auf neurodegenerative Erkrankungen lieferte die randomisierte placebokontrollierte „preSmartAge“-Studie der Charité. Bereits nach dreimonatiger Einnahme von Spermidin aus Weizenkeimextrakt in Kapselform zeigten die Probanden mit Demenzrisiko eine moderate Verbesserung der Gedächtnisleistung.9 Die Bedeutung einer täglichen Spermidingabe für die Demenzprävention wird derzeit in der vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Folgestudie „SmartAge“ weiterführend untersucht.


*(Bioarchives publiziert präliminäre Daten, die noch nicht von der Wissenschaftscommunity begutachtet wurden. Damit soll für einen schnellen Austausch zu aktuellen Studienergebnissen rund um SARS-CoV-2 gesorgt werden).

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