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Donnerstag, März 28, 2024

Neuer Bußgeldkatalog zielt mehr denn je aufs Portemonnaie

Lesestoff

Genau genommen führten zwei Zahlen und ein Buchstabe dazu, dass der am 28. April 2020 renovierte Bußgeldkatalog seine Schrecken für Deutschlands Autofahrer verlieren musste: nämlich ein Hinweis auf die Rechtsgrundlage für Fahrverbote im § 26a, Absatz 3 im Straßenverkehrsgesetz. Wegen dieses Formfehlers setzten die Juristen des Verkehrsministeriums ziemlich schnell das gesamte Projekt außer Vollzug. Doch es war weniger der vermisste Hinweis, der landauf, landab für große Empörung sorgte.

Drastische Strafen besonders für zu schnelles Fahren trieben Autoclubs und Interessenverbänden die Zornesröte ins Gesicht. Manch einer sprach gar von „Daumenschrauben für Autofahrer“. So sagte zum Beispiel der ADAC-Verkehrspräsident Gerhard Hillebrand: „Autofahrer müssen wissen, dass Geschwindigkeitsverstöße sowohl innerorts als auch außerorts deutlich früher mit Fahrverbot belegt werden – unabhängig von der Gefährdungssituation und ohne ausreichende Differenzierung.“ In der Tat, bereits ab 21 km/h innerorts und 26 km/h außerhalb geschlossener Ortschaften oberhalb des Limits war ein einmonatiges Fahrverbot fällig.

Der Münchner Automobilclub „Mobil in Deutschland“ sah sich sogar zu einer Petition an den Bundestag veranlasst. Nach Ansicht des Vereins wären „rund zwei Millionen Führerscheine pro Jahr in Gefahr gewesen“. Über 165.000 Unterstützer und Unterschriften brachte Mobil in Deutschland in kurzer Zeit zusammen und freute sich über „die größte Petition dieser Art“.
Jetzt, ein Jahr später, ist die Folter mit den überzogenen Führerschein-Beschlagnahmen vom Tisch, die deftigen Bußgelder indes sind geblieben.

Unter Vorsitz von Maike Schäfer von den Grünen, der Senatorin für Klimaschutz, Umwelt, Mobilität, Stadtentwicklung und Wohnungsbau der Freien Hansestadt Bremen, einigte sich die Verkehrsministerkonferenz der Länder mit dem Bund Mitte April auf einen neuen Bußgeldkatalog, der noch bis zur Wahl am 26. September den Bundesrat passieren und damit in Kraft treten soll. Doch schon heute steht fest: Es wird teurer, das Gaspedal über Gebühr zu strapazieren und zwar erheblich.

Ein paar Beispiele von vielen: Wer demnächst dabei erwischt wird, in einer geschlossenen Ortschaft 15 km/h über das Limit zu fahren, wird 50 Euro los. Bisher kostete es nur halb so viel. Noch teurer wird es, wenn das Fahrzeug im allgemeinen Park- oder Halteverbot steht. Dann sind statt wie zurzeit nur bis zu 15, zukünftig bis zu 55 Euro fällig. Die Stadtkämmerer werden sich freuen, auch, dass sich Parken auf Geh- und Radwegen sowie das Parken und Halten in zweiter Reihe auf bis zu 110 Euro verteuert.

Darüber frohlockte der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (adfc) besonders. „Die völlig unnötige Debatte über vermeintlich zu hohe Strafen für Auto-Raser hat ein ganzes Jahr lang die Sicherheit von Radfahrenden gefährdet“, sagte seine Vizebundesvorsitzende Rebecca Peters. „Radwege wurden weiter sanktionslos zugeparkt, Radfahrerinnen und Radfahrer durch ohne Schulterblick abbiegende Autofahrende weiter gefährdet. Gut, dass das unwürdige Gezerre jetzt endlich beendet ist.“

Verhältnismäßig glimpflich kommt davon, wer unberechtigter Weise sein Auto auf einem für Behinderte reservierten Platz stehen lässt. Die bisherige Strafe von 35 Euro klettert lediglich von 35 auf 55 Euro.

Genauso teuer kommt es, wenn ein Fahrzeug mit einem Verbrennungsmotor auf einem für Elektro- oder Carsharing-Autos reserviertem Platz steht. Dieses Vergehen wanderte als neuer Tatbestand in den Bußgeldkatalog. Genauso wie die für Lastwagen vorgeschriebene Schrittgeschwindigkeit bei Abbiegen innerhalb geschlossener Ortschaften. Ebenso wird zukünftig das Vergehen „Schienenverkehr nicht Vorrang gewährt“ mit 80 Euro geahndet. Auch eine Rettungsgasse zu blockieren oder sie gar selbst als Fahrspur zu benutzen strapaziert die Kasse um mindestens 200, höchstens 320 Euro.

Ein zufriedenes Fazit zog Verkehrsminister Andreas Scheuer: „Das ist ein Riesendurchbruch und ein sehr fairer Kompromiss. Die Verkehrssicherheit ist gestärkt, Verkehrsrowdies werden härter bestraft, aber die Verhältnismäßigkeit der Bußgelder ohne zusätzliche Fahrverbote ist gewahrt. Wir schützen schwächere Verkehrsteilnehmer wie Radfahrer und Fußgänger besser, erleichtern die Arbeit der Rettungskräfte und schaffen so mehr Rücksicht im Straßenverkehr. Miteinander statt gegeneinander der Verkehrsteilnehmer.“

Zum Schluss meinte er: „Ich danke allen Mitgliedern der Verkehrsministerkonferenz für die hervorragende Zusammenarbeit und besonders der Vorsitzenden Dr. Maike Schaefer für ihre sehr gute Leitung und Beharrlichkeit.“ Dass ein Bundesminister von der CSU eine Kollegin von den Grünen aus einer Landesregierung über den Klee lobt, kommt auch nicht alle Tage vor. (ampnet/hrr)

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