13.4 C
Hutthurm
Freitag, März 29, 2024

Sind 700 deutsche Kliniken überflüssig?

Lesestoff

VPKA kritisiert Aussagen des G-BA-Vorsitzenden scharf

München. „Wir haben zurzeit 1 900 Krankenhäuser. 1 200 wären genug“. Diese Meinung vertrat Prof. Josef Hecken, unparteiischer Vorsitzender des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) in einem am 3. Juli 2021 veröffentlichten Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. Seiner Ansicht nach müssten die Kliniken die Arbeit künftig klüger untereinander aufteilen. Kleinere Krankenhäuser im ländlichen Raum sollten sich auf einfache Eingriffe beschränken, während anspruchsvolle Operationen nur noch in spezialisierten Zentren durchgeführt werden sollten. „Das wäre gut für die Wirtschaftlichkeit und für die medizinische Qualität.“ Beim Verband der Privatkrankenanstalten in Bayern e.V. werden diese Aussagen mit Unverständnis und Empörung aufgenommen, wie dessen Hauptgeschäftsführerin Dr. Ann-Kristin Stenger deutlich macht.

Im vergangenen Jahr hätten die Krankenkassen rund 80 Milliarden Euro für Krankenhausleistungen ausgegeben, elf Milliarden Euro seien vom Bund hinzugekommen, führte Prof. Josef Hecken in dem Interview weiter aus. Obwohl die Länder für die Finanzierung der Investitionen zuständig seien, hätten sie nur rund drei Milliarden Euro zur Finanzierung der Kliniken beigetragen. Für eine Strukturreform müssten die Länder auf ihre im Grundgesetz festgeschriebene Planungshoheit über die Krankenhäuser verzichten, so seine Forderung.

„Herrn Prof. Heckens Äußerungen widersprechen seiner Verpflichtung zur Neutralität. In seiner Funktion als unparteiischer Vorsitzender des G-BA gehört Neutralität zu seinen ureigensten Pflichten! Auch inhaltlich sind die veröffentlichten Äußerungen aus Sicht der privaten Klinikträger absolut nicht nachvollziehbar“, stellt Dr. Ann-Kristin Stenger klar. „Die Schließung von 700 Kliniken würde faktisch die Abkoppelung großer Bevölkerungsgruppen, vor allem im ländlichen Raum, von einer angemessenen wohnortnahen medizinischen Versorgung bedeuten. Dies steht in krassem Widerspruch zu der Aufgabe der Länder, eine möglichst flächendeckende qualitativ hochwertige medizinische Versorgung sicherzustellen. Bereits jetzt zeigen sich hier vor allem in den nächsten Jahren aufgrund des Rückgangs der Zahl niedergelassener Ärzte ohnehin weiter verschärfen, auch ohne Klinikschließungen, warnt sie. Dass dies nun sogar bewusst vorangetrieben werden solle, sei weder zu verstehen noch der Allgemeinheit zu vermitteln.

„Anstatt der Kliniklandschaft zum Nachteil der Bürgerinnen und Bürger weiter auszudünnen, müssen die Länder ihrer Planungsverantwortung noch besser nachkommen.“


Hintergrund
Prof. Josef Hecken ist unparteiischer Vorsitzender des Gemeinsamen Bundesausschusses. Dieser ist das höchste Gremium der Selbstverwaltung im deutschen Gesundheitswesen. In ihm arbeiten drei unparteiische Mitglieder sowie Vertreter von gesetzlichen Krankenkassen, niedergelassenen Ärzten und Zahnärzten sowie Kliniken zusammen. Sie legen Maßnahmen der Qualitätssicherung für Praxen und Krankenhäusere fest und entscheiden, welche Leistungen die Versicherten in Anspruch nehmen können.

Die Bertelsmann Stiftung hatte im Sommer 2019 eine Studie zur Krankenhausdichte vorgelegt. Darin schlugen die Autoren vor, die Zahl der Kliniken auf unter 600 zu reduzieren. Die Bündelung von Ärzten und Pflegepersonal sowie Geräten in weniger Krankenhäusern würde zu einer höheren Versorgungsqualität führen. Ärztevertreter und Kliniken hatten mit massiver Kritik reagiert.

- Werbung-

More articles

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein

- Anzeige -

Letzte Beiträge