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Freitag, März 29, 2024

Wer die Währung kontrolliert, kontrolliert die Welt

Lesestoff

„Die unsichtbare Hand“ von Ayad Akhtar als Onlinestream am Landestheater Niederbayern

(von Tobias Schmidt)

Landshut/Passau. Ein Mann sitzt mit einer Fußfessel in einer Art Verschlag und spielt um sein Leben. Nicht mit Spielkarten, sondern einem Laptop-Computer. Denn Nick Bright, Mitarbeiter der Citibank, wurde von der islamistische Gruppe des Imam Saleem in Pakistan verschleppt. Eigentlich wollten sie ja seinen Vorgesetzten kidnappen, weshalb nun auch die Lösegeldforderung der Entführer ins Leere läuft. Zehn Millionen Dollar, mit denen der Imam Impfungen für Kinder beschaffen will. Ein eigenes Haus soll aber bitteschön auch herausspringen. Der entführte Börsenspekulant und seine Kidnapper besiegeln daher einen Deal: Nick Bright will sich das Lösegeld und damit seine Freiheit binnen eines Jahres an der Börse selbst verdienen. Der Imam stellt Nick den Internet-Profi Bashir zur Seite. Als Kind pakistanischer Eltern in London aufgewachsen, permanent verachtet, dreht dieser nun als Islamist die Geschichte seiner Demütigungen um gegen den Westen. Doch beim Geschäftemachen wird Bashir zum allzu gelehrigen Schüler Nick Brights. Put-Optionen, Leerverkäufe, Short sellings – die Geschäfte gehen gut, egal ob mit Gemüse, Waffen, Trinkwasser. Und Bashir begreift, dass Insiderinfos oder das bewusste Schaffen von Tatsachen, die größten Margen erzielen. Warum also nicht einen politischen Mord inszenieren und auf die entsprechend reagierenden Börsenkurse wetten? Warum nicht einen Anschlag auf die Nationalbank verüben, und auf die kollabierende pakistanische Rupie setzen? Denn: „Wer die Währung kontrolliert, kontrolliert die Welt!“. Gedankenspiele? Nicht für diesen jungen Fanatiker. So hat Börsenspekulant Bright leichtes Spiel, Bashir gegen dessen geistigen Lehrer Imam Saleem auszuspielen. Am Ende dieses Kammerspiels für vier ganz unterschiedliche (bisweilen etwas durchsichtige) Männer-Typen sind Leben und Existenzen vernichtet, und alle endgültig moralisch korrumpiert. Die vielzitierte „unsichtbare Hand“ des Marktes – des Wirtschaftstheoretikers Adam Smith (1723-1790) – die im Widerstreit der menschlichen Eigeninteressen die Märkte reguliere, hat wieder einmal obsiegt.

‚Die unsichtbare Hand‘ (Foto: Peter Litvai © Landestheater Niederbayern)

Seziert Märkte und Migration – der Erfolgsautor Ayad Akhtar

Der Schriftsteller, Schauspieler und Dramatiker Ayad Akhtar wuchs als Kind pakistanischer Einwanderer im US-amerikanischen Bundesstaat Milwaukee auf. Zwei Themenbereiche machten ihn zu einem vielfach preisgekrönten und oft gespielten zeitgenössischen Theaterautor der vergangenen Dekade: Einerseits die Lebensrealität muslimischer Einwanderer in den USA (so etwa in Akhtars Welterfolg „Geächtet“ von 2012 und „The Who and the What“, 2014) sowie andererseits Stücke über das Wirken des Marktes und sein Einfluss auf das Leben der Menschen (zum Beispiel „Die unsichtbare Hand“, 2012, zweite ergänzte Fassung 2015), die wie shakespearesche Königsdramen aufgebaut sind (so etwa das von Zynismus triefende „Junk“, 2016). Vom Pulitzer Theaterpreis, zwei Obie Awards, dem Nestroy Theaterpreis sowie Nominierungen für Tony Awards und Laurence Olivier Awards gewannen Akhtars Stücke schon viele Auszeichnungen. Als Schauspieler war Ayad Akhtar 2005 im Spielfilm „The War within“ über einen unter Terrorismusverdacht geratenden Studenten und 2011 in „Too Big to Fall – Die große Krise“ zu sehen. Dieser Film schilderte den Zusammenbruch der Investmentbank Lehman Brothers. Nach „American Dervish“ von 2012 erschien 2020 sein zweiter Roman „Homeland Elegien“, eine autofiktionale Gesellschaftsanalyse der USA und ihrer zur Präsidentschaft Donald Trumps führender Milieus, auch auf Deutsch.

‚Die unsichtbare Hand‘ (Foto: Peter Litvai © Landestheater Niederbayern)

Ab Freitag, 19. März, 19 Uhr ist „Die unsichtbare Hand“ über der Mediathek auf www.landestheater-niederbayern.de als Onlineproduktion zu sehen. Es spielen: Stefan Sieh (Nick Bright), Julian Niedermeier (Bashir), Julian Ricker (Dar) und Alexander Nadler (Imam Saleem); Regie führte Heinz Oliver Karbus. Für die Wiedergabe des Videos auf der Internetplattform Vimeo wird lediglich ein Computer mit Internetanschluss benötigt. Bei Verwendung von mobilen Geräten wird die Installation der Vimeo-App empfohlen. Der Stream ist kostenlos und bleibt bis auf Weiteres online verfügbar. Ergänzend zu der kompletten Produktion stellt das Landestheater Niederbayern das Programmheft auszugsweise in der Mediathek zur Verfügung.  

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