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Freitag, April 26, 2024

Tierische Therapiebegleiter am Bezirkskrankenhaus Passau

Lesestoff

Die Achatschnecken Heidi, Fred und Bert

Passau. Im Bezirkskrankenhaus Passau wurde eine neue tiergestützte Therapieform mit Achatschnecken auf der beschützt geführten, akutpsychiatrischen Station eingeführt. Achatschnecken sind afrikanische Riesenschnecken, die von ihrem Züchter Lizard Lounge vor kurzem nach Passau ans Bezirkskrankenhaus umgezogen sind. Heidi, Bert und Fred – wie sie liebevoll vom Team genannt werden – sind ganz eigene Individuen, die sich auch farblich unterscheiden. Ihr Zuhause haben die drei Riesenschnecken nun in einem Terrarium, dass das bayernweit bekannte Zoofachgeschäft GigaZoo®  in Grafling extra mit Sicherheitsglas maßangefertigt hat.

Hauptinitiatorin für die Einführung des neuartigen, tiergestützten Interventionsangebotes ist Lisa Parringer, die sich in ihrer Projektarbeit mit dem „Einsatz von Tierarten auf einer akutpsychiatrischen Station“ auseinandersetzt. Im Rahmen ihrer Weiterbildung zur Fachkraft für tiergestützte Therapie beschäftigt sie sich mit genau dieser Thematik. Fachlich angeleitet und unterstützt wird sie dabei von Silke Lederbogen, Sozialpädagogin und Dozentin am Institut für tiergestützte Intervention – kurz ITIVV. Nach Recherche und dem Abwägen vieler Kriterien stand fest: Achatschnecken sind die geeigneten Tiere. Der Ansatz, mit Schnecken zu arbeiten, wurde von der Kinderpädagogik adaptiert. Studien weisen darauf hin, dass Tiere ohne Fell ebenfalls positive Effekte hervorrufen können. Auch für Patientinnen und Patienten mit Sinneseinschränkungen sind die Kriechtiere aufgrund ihrer Größe und Langsamkeit gut wahrnehmbar.

Weitere Faktoren: Die Riesenschnecken benötigen wenig Platz und vor allem keine Grünflächen im Freien. Ein Grund mehr für die Kriechtiere, da im Umfeld „der Stadtklinik“ zu wenig Außenflächen zur Verfügung stehen. Die Achatschnecken sind dauerhaft vor Ort und bringen so Elemente belebter und unbelebter Natur direkt auf die Station: Green Care dank Heidi, Bert und Fred.

Die Auswahl der Spezies wurde durch den Einsatz auf einer beschützt geführten, akutpsychiatrischen Station deutlich eingeschränkt. So galt es Tierwohl, Hygiene- und Sicherheitsaspekte genauestens abzuwägen. Im Gegensatz zu anderen Tierarten bieten die Riesenschnecken deutliche Vorteile: Der Aufwand für Pflegefachkräfte und Therapeuten ist vergleichsweise gut zu bewältigen, die interdisziplinären Einsatzmöglichkeiten sind vielfältig und können bei vielen unterschiedlichen Krankheitsbildern angewandt werden.

Achatschnecken sind ganz harmonische Zeitgenossen: Im Umgang mit ihnen muss eine ruhige Atmosphäre herrschen, da sie sich ansonsten, bei nicht entsprechendem Verhalten der Menschen, zurückziehen. Nicht immer und für jede Patientin oder Patient ist die tiergestützte Intervention mit Achatschnecken geeignet – wie bei jedem anderen Therapieangebot auch. Der Umgang mit ihnen kann beim Abbau von Aggressionen helfen. Da die Arbeit mit den Tieren im Team Patient und Therapeut erfolgt, werden soziale Interaktionen gefördert und die Beziehungsarbeit gestärkt. Die Beschäftigung mit den Tieren gibt den Patientinnen und Patienten eine Tagesstruktur und wird als Ablenkung erfahren. Gleichzeitig wird trainiert, was es bedeutet Verantwortung zu übernehmen. Das Füttern der Schnecken auf der Hand wird als entspannend empfunden und ist eine gute Achtsamkeitsübung. Übrigens schleimen Achatschnecken nur in absoluten Ausnahmefällen wie Stress, anders als die bekannten Haus- und Nacktschnecken aus dem heimischen Garten.

Die afrikanischen Riesenschnecken eignen sich hervorragend zur unterstützenden Therapie (Foto: Bezirksklinikum Mainkofen)

Dank Heidi, Bert und Fred wird – als positiver Nebeneffekt – ganz nebenbei den Patienten der Umweltschutzgedanke nähergebracht. Eine respektvolle Haltung selbst gegenüber Kleinstlebewesen wird vermittelt; mit der hoffnungsvollen Absicht, dass dies anschließend auch im Rahmen zwischenmenschlicher Begegnungen wirken kann.

Für viele Patientinnen und Patienten ist die Arbeit mit Riesenschnecken etwas völlig Neues. Die Begegnung mit den tierischen Mitbewohnern soll das Interesse an einem bisher unbekannten Thema wecken und motivieren, sich mit dem Neuartigen zu beschäftigen. Schnecken können unter entsprechend geschaffenen Bedingungen lebenslang Schäden am Haus selbst reparieren und zeigen damit deutlich auf, dass jeder etwas zu seinem eigenen Wohl beitragen kann. Eine lehrreiche, sinnstiftende Erfahrung für die Patientinnen und Patienten.

Die Projektarbeit steht kurz vor dem Abschluss. Heidi, Fred und Bert werden aber dauerhaft im Bezirkskrankenhaus Passau verbleiben. Und ein erstes Fazit vor Projektabschluss fällt durchwegs positiv aus: Die Achatschnecken erweisen sich als Bereicherung und Bindeglieder, sind pflegeleicht und fördern die Kommunikation sowie die soziale Interaktion.

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