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Dienstag, April 23, 2024

„Schwexit“ abgewehrt

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Volksabstimmungen in der Schweiz

Schweiz. Einer Begrenzung des Zuzugs von EU-Ausländern haben die Stimmberechtigten in der Schweiz gestern Sonntag klar abgelehnt. Laut Endergebnis stimmten somit 61,71 Prozent gegen die sogenannte Vorlage „Für eine massvolle Zuwanderung (Begrenzungsinitiative)“ der rechtskonservativen Schweizerischen Volkspartei (SVP). Es gilt somit weiterhin die Personenfreizügigkeit zwischen der Eidgenossenschaft und den Ländern der EU.

Die SVP hatte die „Begrenzungsinitiative“ gestartet und wollte damit erreichen, dass die Regierung in Bern zukünftig eine starke Drosselung der Migration in die Eidgenossenschaft verfolgen müsste. Die Initiative sahr vor, dass die Regierung mit der EU innerhalb von einem Jahr das Ende der Freizügigkeit aushandeln sollte. Würden die Verhandlungen mit der EU zu keinem Ergebnis führen, so hätte die Regierung in Bern die Freizügigkeit innerhalb weiterer 30 Tagen einseitig kündigen müssen.

In den 1990er Jahren hatten die Schweiz und die EU ein Paket von sieben bilateralen Abkommen ausgehandelt – das Schweizer Stimmvolk musste sodann im Jahr 2000 darüber noch in einer Volksabstimmung befinden. Das tat es dann auch, und zwar mit großer Mehrheit. Die Bilateralen waren somit unter Dach und Fach.

Eines dieser Abkommen beinhaltet die Personenfreizügigkeit, also das Recht als Schweizer prinzipiell in der EU leben, arbeiten und studieren zu können. Im Gegenzug gilt dieses Recht auch für EU-Bürger in der Schweiz.

Die bilateralen Verträge sehen jedoch auch vor, dass wenn ein einzelnes Abkommen (in diesem Fall die Personenfreizügigkeit) gekündigt würde, automatisch auch alle anderen sechs Abkommen außer Kraft treten würden. Bei dieser Vorlage am Sonntag stand somit für die Schweiz – aber auch für die EU – noch viel mehr auf dem Spiel. Denn spätestens nach einem Jahr und erfolglosen (Neu-) Verhandlung der Personenfreizügigkeit mit der EU, hätte es mit überwiegender Wahrscheinlichkeit einen weiteren Brexit gegeben; in diesem Fall ein „Schwexit“, aber nicht minder mit weitreichenden Folgen für die Schweiz, aber auch die EU. Alleine Im Jahr 2019 exportierte die Schweiz (ohne Edelmetalle sowie Kunst und Antiquitäten) Waren im Wert von rund 242,3 Milliarden Schweizer Franken. Das wichtigste Abnehmerland war Deutschland mit einem Exportwert von ca. 44,1 Milliarden Franken, was 18,2 Prozent des Gesamtexports entsprach. Im Gegenzug exportierte Deutschland im Jahr 2019 alleine Waren im Wert von ungefähr 56,37 Milliarden Euro in die Schweiz.

Die Schweizerische Volkspartei (SVP) begründete ihre Initiative damit, dass in der Schweiz eine Massenzuwanderung stattfinden würde. Diese Zuwanderung führe zu steigender Arbeitslosigkeit in der Schweiz und gefährde den Wohlstand, die Freiheit und Sicherheit des Landes. Einwanderer würden die Umwelt und die Infrastruktur belasten und ebenso die Sozialsysteme. Regierung und Parlament sahen dies anders und warten die Stimmberechtigten der Schweiz frühzeitig davor, mit der Annahme dieser Vorlage die Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU erheblich zu beschädigen; alleine schon die wirtschaftlichen Auswirkungen wären katastrophal.

Kurz nach dem Endergebnis dieser Abstimmung äußerte sich EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen und begrüßte das Abstimmungsergebnis, es wäre ein positives Signal. Jetzt gehe es darum, die Beziehungen zwischen der EU und der Schweiz zu festigen und zu vertiefen. Nun müsse das bereits fertig verhandelte Rahmenabkommen duch den Schweizer Bundesrat ratifiziert werden.

Neben der Begrenzungsinitiative hatten Frau und Herr Schweizer am gestrigen Sonntag noch über vier weitere Vorlagen zu befinden. So unter anderem über die Beschaffung neuer Kampfflugzeuge. Hier ging es um die Frage, ob die Armee aus dem Verteidigungsbudget 6 Milliarden Schweizer Franken für neue Kampfjets ausgeben soll. Welche Flugzeuge aber überhaupt gekäuft würden, hätte das Verteidigungsdepartement aber erst nach der Abstimmung entschieden. Hintergrund zur Beschaffung von neuen Kampfjets war, dass die heutigen Mittel zum Schutz des Schweizer Luftraums ersetzt werden müssten. Die jetzt im Einsatz stehenden F/A-18-Kampfflugzeuge ereichen ca. 2030 das Ende ihrer Nutzungsdauer. Die noch verbleibenden Tiger kann die Armee bereits heute nur tagsüber und bei guten Sichtverhältnissen für den Luftpolizeidienst einsetzen.

Bis zum Schluss war diese Abstimmung ein Kopf an Kopf Rennen. Mit 50,14 Prozent (Stand: 28.09.2020/09.00 Uhr) dürfte diese Vorlage – und somit ein Ja zur Beschaffung von neuen Kampfflugzeugen – angenommen werden; aber noch handelt es sich um ein vorläufiges Endergebnis. Es bleibt somit spannend.

Zu den Volksabstimmungen und Resultate vom 27. Sepember 2020 in der Schweiz kann man sich über diesen Link informieren.

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