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Samstag, April 20, 2024

Nach dem Unwetterereignis: Eine Herkulesaufgabe steht bevor

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Das Schadensbild nach dem Unwetter vom vorletzten Wochenende konkretisiert sich nun.
Immer mehr wird erkennbar, dass die Schäden die Region noch über lange Zeit beschäftigen werden. Die Beseitigung des Schadholzes aus den Wäldern des südöstlichen Landkreises wird eine logistische Herausforderung für alle Beteiligten. Das ist das Ergebnis eines Koordinationsgesprächs am Landratsamt Freyung-Grafenau, zu dem sich auf Einladung von stv. Landrätin Helga Weinberger am Donnerstag Regierung, Verbände und Fachbehörden im Landratsamt getroffen haben.

Stv. Landrätin Helga Weinberger nutzte die Gelegenheit zunächst, um nochmals mit Nachdruck Hilfen für die Region einzufordern. Sie schilderte dem anwesenden Regierungsvizepräsidenten Dr. Helmut Graf, wie schwer der Landkreis betroffen ist. „Unsere Heimat wird über Jahre hinweg anders aussehen, die Existenz vieler Menschen hat sich über Nacht für Generationen grundlegend negativ verändert“, so Weinberger. Deshalb habe sie schon seit diesem Wochenende mit Nachdruck Hilfe bei der Bayerischen Staatsregierung eingefordert. „Der Landkreis braucht jede Hilfe, wir brauchen auch Ihre Unterstützung, Herr Regierungsvizepräsident“, wandte sich die stv. Landrätin an den Gast aus Landshut. Sie bat ihn, „ein mögichst umfassendes Bild der Schäden und der anstehenden Probleme nach München zu transportieren“. Die Schadensaufarbeitung sei eine „Herkulesaufgabe, die uns noch lange Zeit beschäftigen wird“, so Weinberger weiter. „Die Betroffenen kämpfen, sie ringen um Fassung, Existenzen stehen auf dem Spiel.“ Geholfen werden müsse der Landwirtschaft und den Waldbauern, genauso aber auch den betroffenen Hausbesitzern und den Kommunen.
Dafür werde man sich politisch immer weider stark machen.

Regierungsvizepräsident Dr. Helmut Graf brauchte seinen Respekt für den Einsatz der Hilfskräfte zum Ausdruck und lobte das Schadensmanagement im Landkreis Freyung-Grafenau. Er wies auch darauf hin, dass nicht jede komplexe Schadenslage automatisch einen Katastrophenfall im Sinne des Bayerischen Katastrophenschutzgesetzes darstelle. „Sie haben das Schadensereignis mit eigenen Kräften aus dem Landkreis abgearbeitet“, stellte er fest. Nichts desto trotz könne man sich vor Ort aber darauf verlassen, dass auch die Regierung von Niederbayern die Anliegen des Landkreises und seiner Menschen an die Staatsregierung in München weitergeben werde.

Die Bürgermeister der betroffenen Kommunen – Pollak, Bermann und Freund – unterstrichen die Forderung der stellvertretenden Landrätin. Dramatische Perspektiven und Bilder zeichneten die Vertreter der Waldbesitzer und Landwirte.

Der Vorsitzende der Waldbauernvereinigung im Landkreis-Freyung-Grafenau, Josef Höppler aus Waldkirchen, stellte sich gleich zu Beginn seiner Ausführungen klar: „Ich habe heute keine Wünsche, ich stelle Forderungen.“ Die staatlichen Hilfen könnten ins Leere gehen, wenn man sich nicht die Dramatik der Gesamtsituation vor Augen führe. Die Politik dürfe auf keinen Fall vergessen oder übersehen, dass die Waldbauern vor ganz konkreten finanziellen Problemen stehen, die ihre Existenz infrage stellen: Für Aufarbeitung und Abtransport des Schadholzes müssen sie in finanzielle Vorleistung gehen. Dafür sei finanzielle Unterstützung erforderlich. Dies vor dem Hintergrund, dass durch das hohe Schadholzaufkommen der Holzpreis in den nächsten Jahren sicher nicht mehr das jetzige Niveau erreichen wird. Daran werde nach seiner Einschätzung auch der Stopp des Holzeinschlags bei den Bayerischen Staatsforsten nichts grundlegend verändern können. „Wir haben es hier mit Verlusten über Generationen zu tun. Die Situation der Waldbesitzerfamilien wird für 80 bis 100 Jahre durch dieses Unwetter geprägt sein. Das Vermögen, die Wirtschaftswerte sind vernichtet. Vor diesem Hintergrund brauchen wir schnell konkrete Hilfen“, so Höppler, da dieses riesigen Holzmengen über die Region hinaus vermarktet werden müssen und allein schon der Transport einen nicht kleinen Teil des Verkaufserlöses aufzehren werden. Über viele Jahre würden wesentliche Einkommensanteile fehlen.

Die Waldbesitzervereinigung schätzt den Schaden nach derzeitigem Stand auf 50 bis 100 Millionen Euro. Man gehe momentan davon aus, dass man nun in einem kurzen Zeitraum dieselbe Menge Holz aufzuarbeiten habe wie sonst über 25 Jahre. An die Waldbesitzer ging der Appell, das Holz erst dann zu entnehmen, wenn es bereits verkauft ist, um eventuell Vorfinanzierungen für den Einschlag kalkulieren zu können. Bis dahin bleibe es im Wald ohnehin länger frisch.

Hans Döringer, der Kreisvorsitzende des Bayersichen Bauernverbandes, unterstrich die dramatische Situation der Waldbauern nochmals: „Zwei Geenrationen arbeiten hier quasi umsonst.“ Schwer betroffen seien jedoch auch die Maisbauern, so Döringer weiter. Eine Versicherung gegen Sturmschäden an Mais existiert erst seit kurzem und wird daher in den meisten Fällen nicht greifen. Besonders schlimm sei, dass zum Teil Landwirte betroffen seien, die binnen Jahresfrist bereits zum zweiten Mal von einem Unwetterereignis geschädigt wurden, weil sie auch vom Hochwasser 2016 betroffen waren. Das Landwirtschaftsamt schätzt, dass ca. 250 ha Silomais und damit ein Drittel der Silomaisfläche der drei betroffenen Kommunen Waldkirchen, Jandelsbrunn und Neureichenau vernichtet worden sei. Zudem seien auch landwirtschaftliche Gebäude beetroffen, hierzu besitze man freilich noch keine Größenordnungen. Die Betroffenen sollen alle Schäden dem Landwirtschaftsamt melden, auch die an den Gebäuden.

Die Vertreter der Fachbehörden und -verbände wiesen darauf hin, dass die Aufarbeitung der Waldschäden nicht nur die Waldbesitzer vor erhebliche Probleme stellen wird, sondern dass der Abtransport die Benutzung und letztendlich die Verkehrsinfrastruktur auch massiv beschädigen werde. Hierfür müssten Entschädigungslösungen gefunden werden, die das Verursacherprinzip außer Kraft setzen. Stellvertretende Landrätin Helga Weinberger stellte klar, dass man auch für die erwartete Beschädigung der öffentlichen Infrastruktur durch den Holztransport auf staatliche Hilfe angewiesen ist.

Die Teilnehmer pflichteten Weinberger darin bei, dass die Schäden ein gravierendes Ausmaß haben. Gerade deshalb warnen sie die Betroffenen aber auch davor, unkoordiniert an die Aufarbeitung zu gehen. Zunächst müssen der Holzverkauf organisiert und die logistischen Probleme gelöst sein.

In diesem Zusammenhang dürfen die Betroffenen auch die eigene Sicherheit nicht außer Acht lassen. Oswald Haslbeck, technische Aufsichtsperson bei der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft für den Landkreis, erläuterte, dass nach einem solchen Schwersturmereignis nur schwerer Maschineneinsatz zum Ziel führt. Die gefährlichen Aufräumarbeiten müsse man unbedingt der Technik überlassen. „Vorrangig sind hier die Technik und die Profis gefragt. Wer in leichten Schadenslagen selbst tätig werden will, sollte unbedingt auf die notwendige Schutzausrüstung achten.“ Haslbeck brachte die Situation auf den Punkt: „Ruhe bewahren! Technik dran lassen!“

Kreisbrandrat Norbert Süß informierte schließlich in einem kurzen Rückblick, dass an diesem besagten Wochenende zu Spitzenzeiten 450 Einsatzkräfte der Feuerwehren im Einsatz gewesen seien. „Glücklicherweise haben wir trotz der gefährlichen Schadenslage keine Verletzte zu beklagen“, so der Kreisbrandrat. Abschließend bedankte sich stellvertretende Landrätin Helga Weinberger bei allen Einsatzkräften: „Viele haben geholfen, jetzt erwarte ich eine angemessene Hilfe für die Region aus München“, schloss Weinberger das Koordinationstreffen.

(Bild: Stv. Landrätin Helga Weinberger (stehend) mit Niederbayerns Regierungsvizepräsident Dr. Helmut Graf (re. daneben), den betroffenen Bürgemeistern und der für den Katastrophenschutz zuständigen Abteilungsleiterin Ramona Scheichenzuber-Art (re.) beim Koordinationstreffen im Landratsamt Freyung-Grafenau – Foto: Landratsamt Freyung-Grafenau)

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