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Donnerstag, März 28, 2024

Landwirtschaft heißt Natur erhalten

Lesestoff

Ein Gespräch mit dem Geschäftsführer des Landwirtschaftlichen Bezirksvereins Josef Ritzer

Wohin der Weg der Landwirtschaft in Zukunft führen wird, ist ungewiss. Die Auflagen für Landwirte werden strenger, die Preise stagnieren und die Diskussionen nehmen zu. Wortgefechte liefern sich jedoch nicht nur fachkundige Landwirte, sondern auch jedermann, der glaubt, sich auszukennen und doch nur einen kleinen Bruchteil dessen sieht, was Landwirtschaft eigentlich bedeutet. Seit Generationen leben Großfamilien davon – in der Region sind es meist Milchviehbetriebe. Doch der Wind wird rauer, wenn es um die immer strengeren Auflagen geht, denen die Landwirte gerecht werden müssen.

Ein ständiges Beispiel ist der Nitratwert, der aufgrund von weniger Gülleausbringung gesenkt werden soll. Unabhängig davon muss man immer wieder berücksichtigen, dass es sich hier um einen Naturdünger und nicht um einen Kunstdünger handelt. Vor Jahren lag der Grenzwert für Nitrat noch bei 100 mg, heute bei 50 mg. Der Vorsorgegrenzwert liegt bei nur 37,5 mg. Als die Grenzwerte noch wesentlich höher waren, hat sich keiner dafür interessiert. Wenn heute jedoch ein Brunnen im Wert von z.B. 30 bis 32 mg springt, ist das Entzegen groß, obwohl dieser Wert deutlich unter dem gesetzlichen liegt. Die Ausbringung von Gülle wird streng kontrolliert, die letzten Jahre durfte man immer weniger Menge pro Hektar ausbringen, um die niedrigen Grenzwerte zu erreichen. Aktuell habe der Landkreis Passau kein Problem mit den Nitratwerten im Boden. „Wir haben etliche Brunnen in landwirtschaftlichen Nutzgebieten mit Werten von deutlich unter 10 mg. Im Gegenzug gibt es Quellen aus Waldgebieten mit höheren Werten“, so der Geschäftsführer des Landwirtschaftlichen Bezirksvereins und Agrar-Betriebswirt Josef Ritzer.

Gesunder Boden

„Dabei wurde noch nie so viel Wert gelegt auf Bodenversorgung. Humusbildung, Nährstoffversorgung, Bodenuntersuchungen, Fruchtfolge und Pflanzenschutz wie derzeit“, so Josef Ritzer. „Im Bereich Pflanzenschutzmitteln kauft der Bauer nur die Produkte ein, die es im Lagerhaus gibt, und das ist doch legitim. ‚Pflanzenschutz‘: wenn zum Beispiel der Weizen von Pilzen befallen ist und somit krank wird, so ist es doch naheliegend, mit Hilfe eines entsprechenden Mittels lieber ein reines, gesundes Korn in den Nahrungskreislauf zu bringen. Wenn Firmen eine funktionierende Alternative auf komplett natürlicher Basis herstellen und anbieten würden, könnte der Landwirt darauf zurückgreifen und die Diskussion um Pro und Kontra von Pflanzenschutzmitteln hätte ein Ende. Der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln wird immer mit Augenmaß betrieben. Ganz ohne geht es leider in der konventionellen Landwirtschaft nicht, denn dann wäre das Wachstum sowie die Gesundheit der Pflanzen und damit auch die Ernte in Gefahr.“ Für die Betriebe ist dieser Spagat also nicht immer ganz einfach zu bewältigen, viele geben auf. Schon aufgrund der geforderten Platzkapazitäten stoßen Betriebe an ihre Grenzen. Dazu sagt Josef Ritzer: „Das Tierwohl steht absolut im Vordergrund. Jedes Tier hat im Stall so viel Platz wie noch nie. Dieser hohe Standard erstreckt sich auch auf die Versorgung, Futteruntersuchung, Futterrationen, Milchproben und Klauenpflege. Es ist unverständlich, warum dennoch die Landwirte immer weiter gegängelt werden. So ein Betrieb muss auf Dauer auch rentabel sein. Das bedenken wohl viele Verbraucher nicht, hat es den Anschein. Außerdem wird hier viel Geld in die Hand genommen, um die Betriebe auf die neuesten Standards zu bringen. Das auf das Produkt im Laden umzulegen, funktioniert nicht wirklich.“

Hohes Ausbildungsniveau

Ausgebildete Landwirte müssen eine Menge wissen und in gewisser Weise echte Allrounder sein. „In keiner anderen Berufssparte würde jemand einem Fachmann reinreden. Schließlich muss der es ja wissen, er hat es gelernt. Die landwirtschaftliche Ausbildung dauert ohne Meisterausbildung schon sechs Jahre und trotzdem glaubt jeder mitreden zu können und vieles besser zu wissen. Bei manchen Diskussionen streichen die Landwirte die Segel und sagen dann einfach nichts mehr, obwohl sie aufgrund ihrer Fachkompetenz und dem ursprünglich Vertrauten wissen, im Recht zu sein. Aber die Vorwürfe und Anfeindungen sind mit sachlichen Argumenten kaum zu entkräften – eben weil beim Verbraucher das Fachwissen fehlt. Diese Entwicklung ist sehr schade und bedenklich, denn so stirbt auch die Gesprächskultur, die gegenseitiges Verständnis erst möglich macht“, ist sich der Geschäftsführer des Landwirtschaftlichen Bezirksvereins sicher. Er selbst ist ebenfalls Landwirt und weiß um die Probleme des Berufsstands.

Gerade die Preispolitik ist schwierig. „Wir haben heute noch den gleichen Erzeugerpreis wie vor 40 Jahren, dabei sind aber sämtliche Kosten enorm gestiegen. Aus diesem Dilemma gibt es nur zwei Wege: entweder der Betrieb gibt auf oder er expandiert und kompensiert die immer dünner werdende Marge mit ‚mehr‘. Das ist leider die Realität und alternativlos“, so Ritzer

Zweites Standbein

Viele Landwirte können nicht mehr vom Hof alleine leben. Sie verdienen sich etwas dazu und haben damit eine Doppelbelastung zu stemmen, die wirklich kräfteraubend ist. Obwohl Josef Ritzer einen modernen Milchviehbetrieb bewirtschaftet, hat er mit „Urlaub auf dem Bauernhof“ ein zweites Standbein. Bei den Gesprächen mit Urlaubsgästen geht es oft um die Probleme der Landwirtschaft. „Wir hatten einmal einen Gast, der bei einer Molkerei für den Verkauf zuständig ist. Er hat bestätigt, dass es im Moment nur über die Masse machbar ist. Beispielsweise bleibt ein Joghurt, der nur um zehn Cent teurer wird, im Regal liegen. Die Wertschätzung von Lebensmitteln ist seit langem nicht mehr dort, wo sie hingehört. Vieles ist einfach viel zu billig und alles, was nichts kostet, ist oft beim Konsumenten leider nichts wert. Wenn sich der Milchpreis über die Jahrzehnte so linear entwickelt hätte wie die Löhne der Arbeitnehmer, läge der Preis pro Liter etwa bei einem Euro. Da wären die Betriebe kleiner und könnten trotzdem davon leben.“

Landschaftspflege

Nicht nur als Erzeuger von Lebensmitteln sind Landwirte eine wichtige Berufsgruppe. Sie übernehmen auch Landschaftspflege. Was würde passieren, wenn Flächen nicht mehr bewirtschaftet würden? Auch diese Leistung erfährt in der Gesellschaft zu wenig Wertschätzung. Ritzer ist sich sicher: „In der Summe scheint das falsche Bild, das von den Landwirten gezeichnet wird, ein echtes Wohlstandsproblem zu sein. Der Bezug zur echten landwirtschaftlichen Arbeit fehlt und so können die Menschen nicht mehr einschätzen, was da wirklich dahinter steckt. Wer nur ein paar Wochen mitarbeiten würde, könnte die ganze Problematik anders verstehen. Bevor Halbwahrheiten verbreitet werden, sollte sich jeder erst einmal mit der Gesamtsituation und der Thematik auseinandersetzen. Das wäre ein echter Wunsch an alle Verbraucher. Kritisch zu sein ist in Ordnung, aber mit dem nötigen Hintergrundwissen sieht vieles anders aus. Die Kommunikation muss auf Augenhöhe stattinfen.“


Was ist der Landwirtschaftliche Bezirksverein?

Der Verein widmet sich seit knapp 180 Jahren der Aus- und Fortbildung der bäuerlichen Bevölkerung. Der Landwirtschaftliche Bezirksverein betreut die Landkreise Passau und Freyung-Grafenau sowie Teile der Landkreises Deggendorf und Rottal-Inn. Die über 500 Mitglieder setzen sich hauptsächlich aus Landwirten der Region und einigen Kommunen des Landkreises Passau zusammen und sind mit den Herausforderungen und Problemstellungen des bäuerlichen Alltags aufs Beste vertraut.

Nahe des Klinikums Passau besitzt der Landwirtschaftliche Bezirksverein Passau ein Grundstücksareal, auf dem Landwirtschaftsschule, Hauswirtschaftsschule, das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, der Bayerische Bauernverband, der LKV, die Universität Passau, der Pflegedienst Comitas, die Rechtsanwaltskanzlei SIWE und weitere Büronutzungen untergebracht sind. Die Gebäude aus unterschiedlichen Epochen umschließen einen Grünraum, der unmittelbar an die naturnahe Flusslandschaft des Inntales angrenzt.

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