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Mittwoch, April 24, 2024

Das kulturelle Leben liegt auf Eis

Lesestoff

Alle Kulturschaffenden sind brotlos

Das reichhaltige Kulturleben bot vielen Menschen ein Auskommen. Gleichzeitig bedeutet Kultur auch das Zusammenkommen von Menschen. In Corona-Zeiten ist dies nicht mehr möglich. Das gleiche gilt für die Gastronomie, die Hotel- und die Tourismusbranche. Die Verdienstausfälle der Betroffenen sind enorm. Viele wissen seit Monaten nicht mehr, wie es weitergehen soll. Natürlich; von Seiten der Politik wurden massive Geldzahlungen in Aussicht gestellt. Um diese Gelder auszahlen zu können, schuf man eine ganze Reihe von Förderprogrammen – unbürokratisch und schnell sollte es gehen…

Stellvertretend für die Kulturschaffenden berichten zwei Musiker von ihren Erfahrungen mit den diversen Förderprogrammen:

‚Balboo‘, mit vollem Namen Christian Balboo Bojko ist Musiker und lebt in Spiegelau:

Solo-Selbstständigen-Hilfe

Im April 2020 habe ich auf Anraten vieler Politiker der Region die Solo-Selbstständigen-Soforthilfe beantragt. Zwar wurden die versprochenen 9.000 Euro sofort überwiesen, drei Wochen später wurde mir jedoch mitgeteilt, dass diese Hilfe nur für Betriebsausgaben verwendet werden darf. Also wurde ich aufgefordert, das Geld wieder zurückzubezahlen. Dafür braucht man jedoch wiederum einen Steuerberater, der die Betriebsausgaben herausrechnet, um das zu viel bezahlte Geld wieder zurück überweisen zu können. Obwohl sich mein Steuerberater hierfür sehr viel Mühe gegeben hat, wurden meine Betriebsausgaben ohne weitere Begründung nicht akzeptiert.
Fazit: Mir wurde mitgeteilt, dass ich die vollen 9.000 Euro zurückzubezahlen hätte (und die Rechnung für den Steuerberater belief sich auf 348 Euro). Weiter ist es so, dass mir der Staat bzw. die Regierung weiterhin verbietet, meinen Job auszuführen und ich so meinen Lebensunterhalt verdienen kann. Ich habe nun die 9.000 Euro zurück überwiesen; Geld, das mir als Solo-Selbstständiger versprochen wurde, das nachträglich einer Zweckbestimmung unterzogen wurde und mir dann ohne Begründung in voller Höhe aberkannt wurde, Geld, das mir faktisch gar nicht gehört und ich auch noch versteuern muss.

Künstler-Soforthilfe

Also dachte ich, alternativ könnte ich ja jetzt die Künstler-Soforthilfe beantragen. Wieder falsch: Mir würden als Künstler zwar 3.000 Euro Soforthilfe zustehen, die ich aber leider nicht mehr beantragen darf, da ich ja die Solo-Selbstständigen-Hilfe schon beantragt hatte. Und jetzt, nach Aberkennung der Solo-Selbstständigen-Hilfe ist die Antragsfrist für die Künstler-Soforthilfe abgelaufen.

Überbrückungshilfen September/Oktober/November 2020

Hier gäbe es vom Staat 60 bis 75 Prozent der Einnahmen aus dem Vorjahr, umgelegt auf Wocheneinnahmen. Also fallen da hier wieder Steuerberatungskosten an. Was nun aber der Staat wieder erst nachträglich veröffentlicht hat: Wer in diesem Zeitraum einen Zahlungseingang auf seinem Konto verzeichnet, dabei spielt es keine Rolle aus welchem Grund oder aus welcher Quelle, wird dieser Betrag von den Überbrückungshilfen wieder abgezogen. Also steht mir jetzt abzüglich meiner Einnahmen für September/Oktober ein Hilfsbeitrag von 514 Euro zu – das Geld habe ich bis heute nicht erhalten.
November-Hilfe bekomme ich auch keine, da ich hier eine Beitragsrückerstattung meiner privaten Krankenversicherung erhalten habe; diese wird von der 75 Prozent November-Hilfe abgezogen. Hilfe somit gleich 0 Euro. Hätte die Krankenkasse im Juli überwiesen, wo ich nichts verdient habe, hätte ich November-Hilfe bekommen. Fixe Ausgaben habe ich monatlich von ca. 1.850 Euro für private Krankenversicherung, Rentenversicherung, Strom, Betriebsversicherungen, KFZ-Versicherung usw., die aus weder begründeten noch nachvollziehbaren Gründen nicht als Betriebsausgaben anerkannt werden.

Und nun die Frage; von was soll ich jetzt leben?


Christian Eckmüller ist seit 14 Jahren selbstständiger Schlagzeuger, verheiratet und zwei Kinder. Er berichtet:

Die im März 2020 angekündigte Soforthilfe von Einzelunternehmen, Solo-Selbstständigen, Künstler, Musiker etc. wurden relativ rasch ausbezahlt. Anstatt den versprochenen 9.000 Euro für drei Monate gab es für mich beispielsweise nur 5.000 Euro – die restlichen 4.000 Euro wurden abgelehnt.

Anfangs war ich sehr zufrieden, ja überhaupt eine Unterstützung zu bekommen. Doch als es dann hieß, dass diese Soforthilfe nur für gewerbliche Ausgaben zur Verfügung steht, war ich natürlich enttäuscht. Aktueller Stand bei mir ist: diese Soforthilfe ist, abzüglich den betrieblichen Ausgaben, wieder zurückzubezahlen.
Außer mein Autoleasing und mein Handy-Vertrag habe ich als selbstständiger Künstler keine gewerblichen Ausgaben. Kurz darauf, es war so glaube ich im Mai, kam die nächste Hoffnung auf Unterstützung: 3 Monate lang 1.000 Euro für den Lebensunterhalt (also 3.000 Euro für ein Vierteljahr). Das habe ich beantragt, wurde jedoch abgelehnt, da ich bereits die Soforthilfe in Anspruch genommen habe.
Ich bin verheiratet, habe zwei Kids….ok, ist offenbar alles kein Problem…“Dann müssen Sie halt die Grundsicherung beantragen“ (so der Tenor aus der Politik) – Hartz 4 also.

Ich bin nach wie vor nicht arbeitslos; ich habe ein Berufsverbot, und das ist was anderes. So durfte ich dann glücklicherweise Ende August bis Anfang Oktober 2020 wieder kleine Veranstaltungen in Österreich spielen. Damit konnte ich die brotlose Zeit ein bis zwei Monate überbrücken.

Christian Eckmüller, Musiker (Foto: Christian Eckmüller)

Dann kam die sogenannte November-Dezember-Hilfe, die ich aktuell beantragt und bereits überwiesen bekommen habe. Dennoch; ich musste somit acht Monate ohne jeglichen Cent überleben.
Wie es nun weitergeht, weiß man nicht. Angekündigt hat man eine Neustarthilfe von 5.000 Euro für den Kunstbereich, jedoch mit einer Abschlagszahlung innerhalb von sechs Monaten). Und der Präsenz-Unterricht wurde ja auch seit Mitte/Ende November verboten.
Grundsätzlich will ich mich nicht beschweren, aber ich bin einfach enttäuscht, als Künstler der Veranstaltungsbranche (der 6. größte Wirtschaftszweig in Deutschland) so im Stich gelassen zu werden und dieser Job, der doch einen großen Stellenwert besass, nicht genug unterstützt und auch geschätzt wird.


Diese zwei Statements betroffener Personen aus unseren Regionen stehen stellvertretend für viele andere, die sich derzeit in einer ähnlichen Situation befinden. Ein schnelles und unbürokratisches Handeln wäre schon längstens angebracht. Bedingungen und Fristen für Hilfen, die mehr als einmal abgeändert werden, machen es den Betroffenen noch schwieriger, an die existenziellen Soforthilfen überhaupt zu gelangen. Dass dadurch das Ansehen der Politik nicht wirklich gesteigert wird und gegenüber dem Staat das Misstrauen wächst, versteht sich von selbst.

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