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Donnerstag, Dezember 18, 2025

Zauberhafter Winterfund

Lesestoff

Uli Stadler entdeckt seltenes „Feeneis“

PRAßREUT/RÖHRNBACH. Es sieht aus wie Zuckerwatte, die an morschen Ästen klebt, oder wie das seidige Haar einer Fabelgestalt: Wer in diesen Tagen früh morgens durch die Wälder streift, kann mit etwas Glück Zeuge eines seltenen Naturschauspiels werden. Unsere Leserin Uli Stadler aus Praßreut hat genau hingesehen und uns faszinierende Aufnahmen von sogenanntem „Haareis“ oder auch „Feeneis“ zugesandt.
Auf den ersten Blick könnte man meinen, jemand hätte weiße Wolle im Wald verteilt oder ein seltsamer Schimmelpilz habe über Nacht das Totholz befallen. Doch was Uli Stadler hier vor die Linse bekam, ist reine Physik – gepaart mit biologischer Raffinesse. Das Phänomen ist unter Biologen als Haareis bekannt, im Volksmund trägt es oft den poetischeren Namen „Feheneis“ (oder auch Eiswolle).

Ein Pilz als Baumeister

Man sagt, der See sei die Heimat von Lange Zeit war unklar, wie diese filigranen Strukturen entstehen. Anders als bei normalem Raureif, der sich aus der Luftfeuchtigkeit niederschlägt, wächst Haareis von innen nach außen aus dem Holz heraus.
Das Geheimnis wurde erst vor wenigen Jahren vollständig gelüftet: Ohne einen ganz bestimmten Pilz gäbe es dieses Eis nicht. Im Inneren der betroffenen Äste – meist Totholz von Laubbäumen wie Buchen oder Eichen – lebt der sogenannte Winterausstopfling (Exidiopsis effusa).
Wenn die Temperaturen knapp unter den Gefrierpunkt fallen, aber der Boden noch nicht durchgefroren ist, wird das im Holz gespeicherte Wasser durch den Stoffwechsel des Pilzes und physikalische Prozesse nach außen gedrückt. An der kalten Luft gefriert das Wasser sofort an der Mündung der winzigen Holzporen. Da immer mehr Wasser nachgeschoben wird, entstehen hauchdünne Eisfäden, die wie Haare weiterwachsen – oft mehrere Zentimeter lang.

Warum „Feheneis“?
Die Bezeichnung „Feheneis“ leitet sich vermutlich nicht von Feen ab, auch wenn der Anblick märchenhaft ist. Wahrscheinlicher ist der Bezug zum „Feh“, dem grauen Winterfell des Eichhörnchens, das ähnlich fein und dicht wirkt.

Ein vergängliches Kunstwerk
Dass Uli Stadler diese Pracht festhalten konnte, ist ein Glücksfall. Haareis ist extrem flüchtig. Die Strukturen sind so zart, dass sie bei der kleinsten Berührung zerfallen. Zudem ist das Phänomen sehr lichtempfindlich: Sobald die ersten Sonnenstrahlen den Waldboden treffen oder die Temperatur auch nur minimal steigt, schmilzt die weiße Pracht und verschwindet spurlos – bis zur nächsten feuchtkalten Nacht.
Ein herzliches Dankeschön an Uli Stadler für diese wunderbaren Eindrücke aus der heimischen Natur!

  • So entsteht das Phänomen:
    Die Basis: Benötigt wird feuchtes, abgestorbenes Laubholz (z.B. Buche), das am Boden liegt.
  • Der Akteur: Im Holz ist das Myzel des Pilzes Exidiopsis effusa aktiv.
    Der Prozess: Durch chemische Prozesse bei der Zersetzung des Holzes entstehen Gase, die das Wasser im Holz unter Druck setzen.
  • Das Gefrieren: An der Holzoberfläche tritt das Wasser aus den feinen Poren (Markstrahlen) aus. Dank spezieller Moleküle des Pilzes gefriert das Wasser nicht zu einem Klumpen, sondern in separaten, dünnen Fäden (Durchmesser ca. 0,01–0,02 mm).
  • Das Ergebnis: Die Eisfäden werden immer weiter herausgeschoben und bilden die typische „Watte“-Struktur.

Wussten Sie schon?
Geheimnisse des Haareises:
Ein Jahrhundert-Rätsel: Bereits im Jahr 1918 beschrieb der berühmte Polarforscher Alfred Wegener (der Entdecker der Kontinentalverschiebung) das Haareis und vermutete einen pilzlichen Ursprung. Doch erst im Jahr 2015 – fast 100 Jahre später – konnten Forscher aus Deutschland und der Schweiz durch DNA-Analysen beweisen, dass tatsächlich ein einziger Pilz (Exidiopsis effusa) für das weltweite Phänomen verantwortlich ist.

Alfred Lothar Wegener (* 1. November 1880 in Berlin; † November 1930 auf Grönland) war ein deutscher Meteorologe sowie Polar- und Geowissenschaftler. Als sein wichtigster Beitrag zur Wissenschaft gilt seine – erst posthum anerkannte – Theorie der Kontinentalverschiebung, die eine wesentliche Grundlage für das heutige Modell der Plattentektonik wurde. Zu seinen Lebzeiten war Wegener vor allem für seine Verdienste in der Meteorologie und als Pionier der Polarforschung bekannt. Foto gemeinfrei

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